Foto: Jörg Farys
„Bisher steht in vielen Lebensläufen, dass die Bewerberin oder der Bewerber gut im Umgang mit digitalen Anwendungen ist. Aber es gab bislang keine Basisqualifikation, die das belegen kann“, sagt Alexander Gillwald. Er ist Projektleiter für den Digitalführerschein (DiFü). Deshalb gibt es seit Ende Februar 2022 den Digitalführerschein. Mit dem Projekt von Deutschland sicher im Netz kann man nun nachweisen, welche Kompetenzen man im Digitalen hat. Dazu haben die Macher:innen eine digitale Lern- und Prüfungsplattform mit Zertifizierungsoption aufgebaut.
Der DiFü richtet sich an alle zwischen 14 und 99 Jahren. Und genau das machte die Entwicklung herausfordernd, erinnert sich Alexander. Mit Personas hatte das Team begonnen, die breite Zielgruppe im Blick zu behalten. „Man gerät allerdings als junger Mensch schnell in die Situation zu sagen, dass beispielsweise die Persona einer Rentnerin bestimmte Sachen nicht weiß“, erinnert sich Alexander. Das sei problematisch, da diese Annahmen nicht immer zutreffen. Deshalb habe sich das Team im weiteren Prozess darauf konzentriert, keine Stereotypen in die Entwicklung einfließen zu lassen. Das bedeutete, dass weder Bildung, Alter noch Geschlecht eine Rolle spielten, sondern der Kenntnisstand der Personen.
Die Themen des Digitalführerscheins individuell aussuchen
Aber auch das ist keine einfache Lösung. Es zeigte sich, dass auch die Vorkenntnisse unheimlich vielfältig sind. Um dem Rechnung zu tragen ist der Digitalführerschein in die Themen Geräte, Internet, Kommunikation, Datenwelt, Gefahrenschutz und Technologiealltag unterteilt. „Uns war wichtig, dass man das gesamte Thema nicht von A bis Z bearbeiten muss, sondern sich Themenbereiche individuell heraussuchen kann“, so Alexander. Insgesamt gibt es drei Levels, denen man sich je nach Kenntnisstand zuordnen kann, bevor man die Themenbereiche durchläuft. Wer unsicher ist, absolviert zunächst die Leveleinschätzung mit zwölf Fragen. Dann können in den sechs verschiedenen Kategorien Lerneinheiten absolviert werden. So wird sichergestellt, dass alle Nutzer:innen basierend auf ihrem Vorwissen abgeholt werden und vom DiFü profitieren, indem sie ihre Kenntnisse und Fähigkeiten erweitern.
Teil- und Gesamtprüfungen sind möglich
„Einen gewissen Kenntnisstand mussten wir voraussetzen“, sagt Alexander. Trotzdem wird nicht nur trocken Wissen abgefragt. Das Team hat versucht, das Angebot möglichst interaktiv aufzubauen. Es gibt Videos, Kreuzworträtsel, Drag+Drop-Kategorien oder etwa Lückentexte. Wer sich in einem Bereich fit genug fühlt, kann eine Teilprüfung starten. Dazu müssen Nutzer:innen sich mit ihrem Namen und einer E-Mailadresse anmelden. Die Anmeldung ermöglicht es, das Lernangebot auch zu einem späteren Zeitpunkt einfach fortzusetzen. Denn der individuelle Lernfortschritt wird dauerhaft gespeichert.
Die Prüfung kann von registrierten Nutzer:innen jederzeit absolviert werden. Innerhalb von 60 Minuten müssen mindestens 50 Prozent der Fragen richtig beantwortet sein, um zu bestehen. „Man kann die abschließende Prüfung so oft man möchte absolvieren. Dadurch wollten wir den Prüfungsdruck mindern“, ergänzt Alexander. Statt der Gesamtprüfung sind auch Teilprüfungen für jeden Bereich möglich. Auch wenn diese bestanden werden, können Nutzer:innen sich den DiFü ausstellen lassen.
Fachbeirat prüft Inhalt auf Herz und Nieren
Damit das Lernangebot und damit auch die Prüfungen des DiFüs fachlich korrekt sind, wird das Team durch einen Fachbeirat unterstützt. Dieser besteht aus Mitgliedern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Bildung. Sie prüfen nicht nur die Inhalte, sondern auch die Art der Wissensvermittlung. Das Redaktionsteam des DiFü aktualisiert die Inhalte fortlaufend. Entstanden sind sie auf Basis des European e-Competence Framework, des IT-Grundschutz des Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sowie des Medienkompetenzrahmen-NRW. Die Daten der Nutzer:innen, die sich registrieren, werden auf Servern in Deutschland gespeichert.
Gelernt hat das Team vom DiFü in den ersten Monaten laut Alexander bereits eine wichtige Lektion: Die breite Zielgruppe schließt zwar niemanden aus, macht es aber schwieriger, eine ansprechende Plattform für alle auszuarbeiten. „Es ist einfacher, je genauer man die Zielgruppe kennt“, sagt er. „Je kleiner sie ist, desto besser kann man das Angebot auf sie zuschneiden. Uns war es allerdings wichtig, so viele Nutzer:innen wie möglichen mitzunehmen. Dabei sind die drei Kompetenzniveaus eine große Hilfe.“ Derzeit befindet sich der Digitalführerschein noch in der Beta-Version.
Das direkte Nutzer:innenfeedback falle bisher generell sehr positiv aus. Das Team ist gerade dabei, die ersten Monate quantitativ auszuwerten. Schon jetzt wird deutlich, dass die Nutzer:innen die Themenbereiche teilweise als inhaltlich sehr spezifisch wahrnehmen. Je nach Level können sie aber auch noch weiter ausgebaut werden. „Da sind wir bereits dran“, sagt Alexander. Man wolle die Unterschiede bei den Anforderungen angleichen.
Programmiersprachen, Homeoffice und KI sollen folgen
Alexander und seinem Team ist noch eine weitere Herausforderung bewusst geworden: „Durch die sechs umfassenden Themenbereiche sprechen wir Teile der Zielgruppe, die sich eher für einzelne Themen interessieren, vielleicht weniger an“. Deshalb möchten wir in den nächsten Schritten ausbauen, was zum Start noch nicht machbar war. In Zukunft wollen wir das Angebot für spezielle Zielgruppen anpassen. „Der DiFü kann dann Bereiche wie Programmiersprachen, Homeoffice oder KI anbieten“, so Alexander.
Ein weiteres Ziel des Teams ist es, den fachlichen Bereich des DiFü auszubauen. „Wir haben das Bestreben, einen eigenen DiFü nur für pädagogische Fachkräfte oder andere Fachbereiche anzubieten“, erklärt er. Durch das modulare System sei das relativ unkompliziert umsetzbar. In Anbetracht der sehr breiten Zielgruppe stehen auch Barrierearmut und die gute Verwendbarkeit auf unterschiedlichen Endgeräten im Fokus des Teams.
Noch mehr Menschen für den Digitalführerschein erreichen
Neben diesen Weiterentwicklungen arbeitet das Team an einem ergänzenden analogen Angebot für den DiFü. „Langfristig streben wir Kooperationen mit Initiativen vor Ort an“, sagt Alexander. Dabei könnte auch das Projekt Digitaler Engel, das ebenfalls von Deutschland sicher im Netz betrieben wird, eine Rolle spielen. In ihm werden ältere Menschen bei der Nutzung digitaler Angebote unterstützt. Das Projekt vermittelt gewisse Grundkenntnisse, um sie fit genug für den digitalen Alltag zu machen. Mittelfristig könnten sie dann auch mit dem DiFü ihr Wissen noch weiter ausbauen.
„Kennt eure Zielgruppe, sie ist der Grundstock des Ganzen.“
Diesen Rat gibt Alexander allen, die ebenfalls eine Lernplattform aufbauen wollen. Gleichzeitig sei es wichtig, die Bedürfnisse der potenziellen Nutzer:innen zu kennen und auch offen für Neues zu sein. „Das ist manchmal schon ein Spagat“, warnt Alexander. Jedoch lohne es sich über den Tellerrand zu schauen und so auch unkonventionelle Angebote zu entwickeln. Dazu passt auch der zweite Rat von Alexander: „Nehmt euch Zeit“. Das DiFü-Team habe im März 2021 angefangen, das Angebot zu entwickeln – knapp ein Jahr später sei es in der Beta-Version online gegangen. „Das war schon sehr sportlich“, räumt er ein.
Prüfung und Übungseinheiten sind kostenlos
Insgesamt ist es dem DiFü-Team wichtig, ein niedrigschwelliges Angebot anzubieten, das jedoch gleichzeitig fundiert und seriös ist. So werden die Zertifikate des DiFü mit einem Sicherheits-QR-Code oder alternativ einer SMS-Verifizierung versehen.
Klar ist bereits, dass das Team die Lerninhalte und den Fragenkatalog der Selbsteinschätzung sowie die Prüfungen fortlaufend aktualisieren wird, um die aktuellen Entwicklungen im Digitalen zu beachten. Gleichzeitig arbeitet das Team daran, dass der DiFü an Bekanntheit gewinnt und zur festen Größe wird. „Denkbar sind dafür zum Beispiel auch Mitarbeiter:innen-Schulungen, um vor Ort in den Personalabteilungen das Interesse am Angebot zu erhöhen“, so Alexander. Denn schließlich können Nutzer:innen, die den DiFü absolviert haben, ihre Fachkenntnisse nachweisen. Für sie sind, anders als bei anderen Führerscheinen, sowohl die Übungseinheiten als auch die Prüfung kostenlos. Dies ist unter anderem möglich, weil das Angebot vom Bundesministerium des Innern und für Heimat gefördert wird.
Seid ihr neugierig geworden? Dann nichts wie los ans digitale Steuer!
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