Vor wenigen Tagen endete die Pilotprojektphase des Digitalen Werkzeugkasten für Kulturfördervereine in der ländlichen Region rund um Teterow in Mecklenburg-Vorpommern – der ersten Testregion des generationsübergreifenden Digitalisierungstandemansatzes. Ein guter Zeitpunkt um unter die Lupe zu nehmen, was die Projektbeteiligten in der Kultursparte ausprobiert haben.
Ein Schritt zurück: Worum geht’s?
Um die Themen Digitalisierung und Nachwuchsgewinnung zusammenzubringen und regional voranzutreiben, wurden von August 2019 bis August 2020 junge Projektteilnehmende in Mecklenburg-Vorpommern in der Anwendung digitaler Werkzeuge geschult. Im Rahmen persönlicher Treffen gaben diese ihre Digitalkompetenzen dann an die teilnehmenden Kulturfördervereine weiter. Die Gesamtinitiative wurde unter Leitung von Ulrike Petzold, Geschäftsführender Vorstand des Dachverband der Kulturfördervereine (DAKU), gemeinsam mit weiteren Initiator*innen sowie zusätzlichen Helfer:innen entwickelt und betreut. Mit ihnen zusammen wurde auch eine Sammlung digitaler Werkzeuge für die Vereinsarbeit erarbeitet.
Ziel des ersten Testlaufs war es
- kulturell Engagierten im ländlichen Raum niedrigschwellige und kostengünstige digitale Tools für die Vereinsarbeit näher zu bringen,
- auf die lokale Nachwuchsproblematik aufmerksam zu machen und sie anzugehen und so
- neue Impulse für die Region zu schaffen.
Und diese braucht es, denn Mecklenburg-Vorpommern verliert wie viele andere ländliche Regionen stetig an Einwohner:innen. Viele junge Menschen zieht es nach der Schule weg aus der Heimat – und nicht selten bleiben sie weg: „Nach neuesten Prognosen der Landesregierung sollen bis 2040 bis zu 5% weniger Menschen im Vergleich zu 2017 im Land leben.“, so Katharina Elsner von NDR Info im Gespräch mit Eric Klausch. Außerdem brauchen die Vereine junge Menschen, die ihr Engagement in Zukunft fortsetzen werden. Und auch der Digitalisierungsgrad der Vereine birgt Nachholbedarf. Einzelne regionale Organisationen drohen von der Digitalisierung gänzlich abgehängt zu werden.
Junges Engagement sticht Digitalisierung
Bei der Einladung zur Teilnahme am Projekt zeigte sich, dass die Jugendlichen einfach zu begeistern waren und vor allem großes Interesse an den kostenfreien Weiterbildungen zu verschiedenen digitalen Tools hatten. Schnell waren 16 Jugendliche über Aushänge an Schulen und Hörensagen über das PowerOn-Netzwerk gefunden.
Überzeugungsarbeit musste hingegen vor allem auf Vereinsseite geleistet werden: Das Thema Digitalisierung wurde beim Projektstart nicht von allen Eingeladenen direkt als Bedarf erkannt. Auf reges Interesse stieß bei den acht teilnehmenden Vereinen jedoch die Möglichkeit, im Rahmen des Projekts mit jungen Menschen aus der Region in Kontakt zu kommen. Wenig überraschend, denn die Mitgliederentwicklung ist vor allem in kleinen Gemeinden und kleineren Städten rückläufig.
Learnings: Was hat gut geklappt, was nicht?
Lieblingstools
Social Media brachte den Teilnehmenden besonders viel Spaß. Zum Beispiel kam das in der Basisversion kostenfreie und vergleichbar einfach bedienbare Design-Tool Canva, das zum Erstellen von Social Media-Beiträgen eingesetzt werden kann, gut an. Aber auch andere Tools zur Aktivierung und Koordination von Ehrenamtlichen wie Helpteers, zum Datenspeichern wie Dropbox, zum Chatten und Telefonieren wie Microsoft Teams und zum gemeinsamen Listenerstellen wie Google Tabellen oder zur Terminfindung wie Doodle wurden gut angenommen.
Spaß als Türöffner
„Zuvor genutzt hatte die Tools noch keiner der Vereine“, so Eric Klausch. Leiter des Pilotprojekts in Mecklenburg-Vorpommern und Initiator von PowerOn, einem Verein, der den Zusammenhalt in der Region fördert. Ziel war es, die Beteiligten mit den Tools vertraut zu machen, damit sie diese dann selbst nutzen können. Hierbei spiele Spaß eine große Rolle. „Wenn die Sachen Spaß machen, werden sie viel mehr genutzt. Auch bei der Vermittlung muss das rüberkommen.“ Einige Tools haben zwar Sinn gemacht, wurden dann aber doch nicht benutzt, weil die Zeit fehlte, die Berührungsängste zu hoch waren oder sie eben nicht dauerhaft gebraucht wurden.
Nicht alles was geht muss
Tools einzuführen, macht nur Sinn, wenn diese dann auch weiter genutzt werden. Das Vermitteln komplexerer Anwendungen, wie zum Beispiel die Bildbearbeitung mit InDesign sei nicht sinnvoll gewesen. Hier übernahmen die Vermittler:innen selbst. Der Bedarf für solche Anwendungen, unter anderem zum Erstellen von Websites, sei aber definitiv vorhanden.
„Nicht alles muss digital sein“, hät Eric fest. So zum Beispiel das Kuchensammeln von älteren Engagierten für Kindercamps. „Hier funktionieren Listenaushänge am Kiosk besser.“ Wichtig sei es, stets die Zielgruppe, den Nutzen und Aufwand bei der Auswahl der zu vermittelnden Digitalwerkzeuge zu beachten. Die während der Projektlaufzeit erarbeitete und sich kontinuierlich weiter entwickelnde Werkzeugsammlung konzentriert sich daher auf möglichst niedrigschwellige und kostengünstige Tools.
Herausforderung: Ehrenamtliche und Hauptamtliche unter einen Hut bringen
Zeiten außerhalb der herkömmlichen Arbeitszeiten sind für das ehrenamtliche Engagement günstig, bestätigt Eric. „Die Arbeit muss hauptsächlich nach 18 Uhr und an Wochenenden erledigt werden, da die Kulturfördervereine vor allem dann aktiv sind. Jugendliche haben nach der Schule oft wenig Zeit und Kraft für Schulungen, weswegen Wochenendcamps hier hilfreich sind.“ Für Hauptamtliche sind Treffen außerhalb der herkömmlichen Arbeitszeiten hingegen weniger günstig. Auch die Beachtung räumlicher Entfernungen zum Arbeitsort spielt bei der Koordination von Terminen mit Hauptamtlichen außerhalb der Arbeitszeiten eine zentrale Rolle.
Film und Foto zieht bei der Jugend
Die jungen Teilnehmenden zeigten besonders große Begeisterung im Umgang mit und Erlernen von Kamera-Equipment und Foto-, Film- und Design-Tools. Für die Produktion von Filmen und Fotos für die Vereine musste man die Jugendlichen nicht motivieren. Sie konnten hier etwas dazulernen und hatten auch die Möglichkeit, erste Referenzen zu sammeln. So übernahm Florian (22) zum Beispiel selbständig Kamera und Schnitt für ein Video über den Förderverein zur Erhaltung des Kirchengebäudes Warnkenhagen Mecklenburg-Vorpommern. Auch Julius (16) ist davon überzeugt „dass es unserer Region sehr gut tut, wenn man auch Kulturfördervereine mit der modernen Technik vertraut macht. Denn dies erleichtert vieles für sie. Ich finde es außerdem gut, dass wir ein Video für jeden Verein, den wir beraten erstellen, denn damit können sie sich nach Außen präsentieren und ihre Arbeit vorstellen.“
Die Retrospektive: Ausblick und Fazit
Sicher ist, dass das Projekt einen wichtigen Schritt in Richtung Digitalisierung bei den teilnehmenden Vereinen in Mecklenburg-Vorpommern angestoßen hat. Und auch, dass man die teilnehmenden Vereine über schon bekannte Bedarfe (wie die Nachwuchsgewinnung) zur Teilnahme motivieren sollte und nicht vordergründig über den Digitalisierungsbedarf selbst. Denn hier herrschte zum Projektstart von Seiten der Vereine noch so einige Skepsis. Außerdem hat sich gezeigt, dass es lokale Angebote und Multiplikator:innen braucht, die vor allem die Vorteile und den Spaß an der Digitalisierung in den Vordergrund rücken.
Es braucht Engagierte vor Ort, die die Bedürfnisse und die Menschen kennen, sie zusammenbringen, weiterbilden, zuhören, beraten, passgenau Bedarfe aufdecken und individuelle Lösungen für einzelne Vereine herausarbeiten. Es braucht auch Gelder für die lokale Netzwerk-Koordination und für Anschaffungen. So konnte im Rahmen des Projekts beispielsweise dem Förderverein Bürgerhaus der Gemeinde Warnkenhagen ein Koffer für einen Beamer sowie Festplatten und USB-Sticks gekauft werden.
Wie sich der Digitale Werkzeugkasten für Kulturfördervereine weiterentwickeln wird,bleibt spannend. Die Initiative des Dachverbands der Kulturfördervereine wandert dieses Jahr in ein weiteres Bundesland und startete im April in Rheinland-Pfalz gemeinsam mit dem dort tätigen Partner medien+bildung.com.
Die Initiative wird im Rahmen des Förderprogramms „Kultur in ländlichen Räumen“ gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Die Mittel stammen aus dem Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ (BULE) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).
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