Brauchen wir eine Digitalstrategie? Was bedeutet das überhaupt für uns? Und wie gehen wir am besten vor? Weil diese Fragen viele Organisationen beschäftigen, haben wir im letzten Jahr einen Schwerpunkt auf das Thema gelegt und immer wieder Non-Profits gefragt: Was war für euch der Auslöser, eine Digitalstrategie zu entwickeln? Wo seid ihr gestartet? Welchen Herausforderungen seid ihr begegnet?
Da Digitalstrategien fast immer eng mit der Entwicklung von Organisationen verbunden sind, sind die Wege der Non-Profits individuell. Dennoch sind uns in den Gesprächen auch Gemeinsamkeiten bei den Herausforderungen und Lösungsansätzen aufgefallen. Die wichtigsten gemeinsamen Learnings haben wir für euch noch einmal zusammengetragen.
#1 Tauscht euch aus
Mit den Herausforderungen, vor die euch die Digitalisierung und der damit einhergehende gesellschaftliche Wandel stellen, seid ihr nicht allein. Alle Vereine und Organisationen müssen sich fragen: Wie können wir auch in Zukunft gut oder sogar besser zusammenarbeiten? Womit bleibt unsere Non-Profit relevant? Wie erreichen wir in den nächsten Jahren unsere Zielgruppen und ehrenamtliche Mitstreiter:innen?
Hört euch in eurem Umfeld um oder sprecht andere Non-Profits aktiv an. Im Austausch könnt ihr viel voneinander lernen. Es motiviert zu hören, dass andere Organisationen vor ähnlichen Aufgaben stehen oder standen. Wie sie vorgehen oder vorgegangen sind. Welche Erfahrungen sie gemacht haben. Was sie noch einmal genauso machen würden und was ganz anders.
#2 Besucht Veranstaltungen
Als Louisa Muehlenberg von der Ehrenamtsstiftung Mecklenburg-Vorpommern vor einigen Jahren begann, sich mit der Digitalisierung der Stiftung intensiver zu beschäftigen, besuchte sie eine Reihe von Veranstaltungen. „Ich wollte wissen, wie es die anderen machen, und von ihren Erfahrungen lernen. Das war und ist immer sehr inspirierend“, hat Louisa uns für das Logbuch zu ihrer Digitalstrategie erzählt. Tagungen, Meet-ups und Events zum Thema Digitalisierung sind die einfachste und beste Möglichkeit, Gleichgesinnte zu finden, sich auszutauschen und Anregungen und Werkzeuge zu sammeln.
Neben D3 – so geht digital gibt es weitere Anlaufstellen, die einen Rahmen zum Austauschen und Vernetzen bieten oder in Workshops Input vermitteln. Das inzwischen größte sozialdigitale Event im 3. Sektor ist der Digital Social Summit, der jährlich im Frühling stattfindet. Außerdem könnt ihr auf unserer Seite viele kostenlose oder -günstige sozialdigitale Events anderer Anbieter:innen entdecken. Zum Veranstaltungskalender geht es hier.
#3 Nehmt alle mit
Von wirklich allen haben wir gehört, wie wichtig es ist, bei der Entwicklung einer Digitalstrategie an alle möglichen Beteiligten zu denken. Je nach Organisation können das sein: das gesamte Team der Hauptamtlichen, die Ehrenamtlichen, der Vorstand, Kooperationspartner:innen, die Zielgruppen oder die Öffentlichkeit. Zum einen ist es für eine langfristig gelingende Digitalstrategie wichtig, alle Bedarfe und Perspektiven zu berücksichtigen.
Denn im Zentrum einer Digitalstrategie steht die Frage: Wer braucht was? Aus den jeweiligen Antworten ergeben sich die digitalen Lösungen. Nicht anders herum.
Zum anderen bedeutet eine Digitalstrategie auch immer Veränderung – und für die möchten Menschen gewonnen werden. Viele Innovationsprozesse scheitern, weil es nicht gelingt, die Menschen mitzunehmen. Für Friedemann Schnur und Insa Heinemann von der Braunschweigischen Stiftung war es daher wichtig, „dass alle in den Veränderungen einen
Mehrwert sehen können.“ Seit sie ihr Digitalisierungsvorhaben im Team vorgestellt haben, ist das Thema regelmäßiger Bestandteil im Jour fixe. „Wir bemühen uns, den Prozess transparent und offen zu gestalten. Wir wollen niemanden vergessen und die unterschiedlichen digitalen Kompetenzen berücksichtigen.“
Um auch die Zielgruppen oder die Ehrenamtlichen einzubeziehen, können Onlinebefragungen, Interviews oder Workshops genutzt werden. „Wie eng man die Menschen an die Hand nimmt, entscheidet darüber, wie gut es läuft“, sagen auch Imke Meyer und Stefan Zollondz von der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Bielefeld e.V. Damit ihr HumHub überall im Verband genutzt wird, haben sie es den Haupt- und Ehrenamtlichen aktiv in den Arbeitskreisen, Leitungskonferenzen und Projekten vorgestellt.
#4 Weckt Bereitschaft zu Veränderung und nehmt Bedenken ernst
Eine Digitalstrategie zu entwickeln und neue Tools und Technik einzuführen, verändert immer auch die Arbeitsweise in Organisationen. Das begeistert nicht alle gleichermaßen, manchen Menschen machen diese Veränderungen Angst. Am Anfang einer Digitalstrategie gilt es daher, einen Raum zu schaffen, der Veränderung, Neugierde, Austausch und Bereitschaft fördert. Und in dem alle Beteiligten spüren, dass es nicht darum geht, Funktionierendes kaputtzumachen, sondern darum, als Organisation stabiler zu werden, repetitive, zeitraubende Tätigkeiten zu erleichtern und mehr Zeit für wesentliche Aufgaben zu gewinnen.
Dabei können die Erfahrungsberichte anderer Organisationen helfen. Sie machen neugierig, motivieren und bauen Vorbehalte ab. „Kommunikation ist mehr als informieren“, sagte Magdalena Bork, die das Projekt Die Verantwortlichen #digital wissenschaftlich begleitete. Sie empfiehlt, mit Gegner:innen das Gespräch zu suchen. „Was sind die Bedenken? Was wären Alternativen? Es hilft, Ängste anzuerkennen und ernst zu nehmen. Oft nimmt dann die Offenheit zu.“
#5 Beachtet den Weiterbildungsbedarf
In den meisten Organisationen gibt es neben den digital affinen Teammitgliedern die eher analogen Kolleg:innen und die Skeptiker:innen. Bei der Entwicklung und Umsetzung einer Digitalstrategie sollten die unterschiedlichen Wissensstände unbedingt anerkannt werden. Beachtet daher den Weiterbildungsbedarf und bietet regelmäßige Schulungen an, die sich am Bedarf der Kolleg:innen orientierten. Denn nichts ist bei der Umsetzung einer Digitalstrategie schlimmer, als wenn neue Tools nur von einem Teil des Teams genutzt werden und Parallelstrukturen entstehen. Auch kleinere Weiterbildungsformate wie ein interner digitaler Newsletter oder Fragestunden zu digitalen Themen können euch dabei unterstützen, die digitalen und technischen Skills aller Mitarbeiter:innen zu fördern.
Denn nichts ist bei der Umsetzung einer Digitalstrategie schlimmer, als wenn neue Tools nur von einem Teil des Teams genutzt werden und Parallelstrukturen entstehen
#6 Organisiert euch externe Beratung
Eine Digitalstrategie ohne externe Hilfe zu entwickeln, ist ein schwieriges Vorhaben. „Dafür braucht man Unterstützung von jemandem, der technisch und digital versiert ist“, sagt Stephanie Frost von der Engagement-Plattform vostel.de. Schließlich will man herausfinden, was wo wie digitalisiert werden kann. Zudem spielen das Mindset und die Haltung eine wesentliche Rolle. Dass die Einstellung zum Veränderungsprozess zentral für das Gelingen ist, war auch eine Erkenntnis von Magdalena Bork. Wenn es hier knirscht, ist eine externe Unterstützung oft sehr hilfreich.
Nun kann sich nicht jede Organisation ein externes Beratungsunternehmen oder eine:n Digitalbeauftragte:n leisten oder an einem Programm teilnehmen. Der Tipp unserer Expert:innen: Fragt eine andere, befreundete Organisation, ob jemand aus deren Team euch mit einem frischen Blick von Außen begleiteten, Meetings moderieren oder Ideen beisteuern kann. Auch pro bono Beratungen könnt ihr anfragen.
#7 Schöpft vorhandene Tools und Lizenzen aus
Einen AHA-Moment bei der Entwicklung ihrer Digitalstrategie erlebten Louisa Muehlenberg und das Team der Ehrenamtsstiftung Mecklenburg-Vorpommern in einem internen Workshop, als die Experten nach kurzer Beratung Microsoft Dynamics vorschlugen. Obwohl die Stiftung bereits mit den gängigen Microsoft-Programmen arbeitete, hatte niemand gewusst, dass Microsoft 365 u. a. auch eine CRM-Lösung bietet. Prüft daher, welche Software und Tools bereits vorhanden sind, wofür sie genutzt werden können und schöpft eure Lizenzen aus. Manchmal liegen die Lösungen näher, als man denkt.
#8 Kümmert euch rechtzeitig um die Finanzierung
Auch wenn Organisationen mit k(l)einem Budget in eine Digitalstrategie starten können, gibt es einen Punkt, ab dem die Finanzierung von Hard- und Software, externer Unterstützung, Schulungen, Lizenzen oder der Wartung eine Rolle spielt. Denkt daher frühzeitig an ein Budget und macht euch auf die Suche nach Fördertöpfen. Eine Möglichkeit neben den Förderprogrammen von Bund, Ländern und Stiftungen kann ein Sponsor aus der freien Wirtschaft sein. Oder ihr sprecht gezielt digital affine Ehrenamtliche an, die euch bei der Implementierung von Tools oder dem Relaunch eurer Website unterstützen können. Zudem lohnt sich als gemeinnützige Organisation in Sachen Hard- und Software immer ein Blick zu Stifter helfen – Haus des Stiftens.
#9 Plant Zeit ein, bringt Geduld mit
Nach einem Jahr Arbeit an der Digitalstrategie gehörte zum Fazit von Friedemann Schnur und Insa Heinemann, „dass der Prozess viel Zeit beansprucht. Eine Digitalstrategie neben dem Tagesgeschäft zu erarbeiten, wirklich alle mitzunehmen, ist bereichernd und mühsam.“ Auch andere Organisationen wie die Sarah Wiener Stiftung haben die Erfahrung gemacht, dass die Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben mehr Zeit braucht.
Daher: Überfordert euch nicht, plant großzügig, habt einen langen Atem und bleibt geduldig. Damit ihr und euer Team am Ball bleibt, lohnt es sich, auch kleinere Fortschritte wahrzunehmen, sichtbar zu machen und wertzuschätzen. „Digitalisierung ist“, wie Magdalena Bork im Gespräch mit uns anmerkte, „kein abgeschlossener Prozess“. Nach der Digitalstrategie ist vor der Digitalstrategie.
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