Der Kreisjugendring Oberhavel und der Bundesmusikverband Chor und Orchester sind zwei von 14 zivilgesellschaftlichen Organisationen, die derzeit das Programm von Die Verantwortlichen #Digital durchlaufen. Im ersten Teil dieser Serie haben wir das Programm vorgestellt und uns genauer angeschaut, was eine Digitalstrategie ausmacht. Im zweiten Teil zeigen uns der Kreisjugendring Oberhavel und der Bundesverband Orchester und Chöre nun genauer, woran sie arbeiten, welche offenen Arbeitsfelder es noch gibt und was sie gelernt haben.
Mareen Ledebur und Susann Reissig vom Kreisjugendring Oberhavel
Mareen: Wir sind ein Dachverband im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit und unser vierköpfiges Team betreut sehr viele unterschiedliche Aufgaben. Als wir 2019 von dem Projekt erfuhren, hatten wir unterschiedliche Baustellen. Zum einen haben wir uns erhofft, dass das Projekt uns hilft, unsere internen Prozesse zu erleichtern und effizienter zu gestalten. Zum Beispiel bei leichterten Aufgaben, die aber viel Zeit beanspruchen. Zum anderen war auch die Kommunikation nach Außen mit unseren unterschiedlichen Zielgruppen ein Thema.
Susann: Die Jugendlichen wachsen heute digital auf und wir wollen in der Kinder- und Jugendarbeit Verantwortung für eine sinnvolle Digitalisierung übernehmen. Für uns ist eine wichtige Frage, wie wir die Jugendarbeit mit den digitalen Möglichkeiten verknüpfen können. Denn einerseits ist Jugendarbeit immer Beziehungsarbeit und braucht Orte. Andererseits bieten digitale Tools gerade im ländlichen Raum neue Möglichkeiten, die Jugendlichen über die teilweise weiten Strecken zu vernetzen, mit ihnen zu kommunizieren, sie an Prozessen und Entscheidungen teilhaben zu lassen. Gerade im Bereich Jugendbeteiligung sehen wir große Chancen.
Mareen: Als wir gestartet sind, hatten wir viel auf dem Zettel. Statt Angst hatten wir hohe Erwartungen und haben gedacht, das wird super. Es ist eine große Freude mit unserem Berater Marlon Maas von youvo.org zu arbeiten. Das passt richtig gut. Von seiner Begleitung haben wir auch in der Zeit des Corona-Lockdowns profitiert. Jetzt konnten wir unser neues Digital-Wissen direkt an die sozialpädagogischen Fachkräfte und unsere Mitgliedsvereine im Landkreis weitergeben. Wir haben zum Beispiel eine digitale Sprechstunde entwickelt, bei der wir seit ein paar Monaten regelmäßig per Videokonferenz Tools und Möglichkeiten vorstellen. Zugleich ist das Format offen für die Fachkräfte. Ein Kollege hat beispielsweise während des Lockdowns einen Podcast entwickelt, um mit den Kindern einer Grundschule in Kontakt zu bleiben. In unserer Sprechstunde hat er erzählt, wie das funktioniert. Nun wird er den Podcast als medienpädagogisches Projekt weiterführen – das meinen wir mit sinnvoller Digitalisierung in der Jugendarbeit.
Ich hatte nicht erwartet, dass es so schnell so gut wird. Wir arbeiten jetzt zum Beispiel mit Slack. Seitdem muss ich mich nicht mehr durch bis zu 300 E-Mails am Tag kämpfen, in denen ich im CC stehe.
Susann Reissig
Susann: Unsere Aufgaben verwalten und verteilen wir jetzt über Wrike. So gehen To Do’s im Zettelchaos nicht mehr unter. Auch das lässt mein Leiterinnenherz höher schlagen. Für Veranstaltungen nutzen wir nun Eventbrite. Auch wenn das für die Fachkräfte teilweise noch gewöhnungsbedürftig ist und noch nicht immer zu 100% klappt, erleichtert das Tool unsere Arbeit. Ich habe gelernt, dass die richtigen Tools eine riesen Zeitersparnis bringen und Spaß machen, die falschen Tools aber mehr Arbeit machen. Neben der Tatsache, dass man Zeit braucht, um sich in die Systeme einzufuchsen, ist die Hardware eine Herausforderung. Leider ist eine Finanzierung über das Programm nicht möglich und wir mussten erst einmal Budget für neue Laptops auftreiben.
An Endgeräten und Technik mangelt es nicht nur bei uns, sondern bei vielen Akteur:innen in der Kinder- und Jugendarbeit, in Schulen und Jugendclubs. Nicht alle haben Zugang zum Internet, auch nicht alle Jugendlichen. So konnten viele nicht an den digitalen Angeboten, die während der Corona-Monate von den Fachkräften entwickelt wurden, oder am digitalen Unterricht teilnehmen. Gemeinsam mit den anderen Jugendringen in Brandenburg haben wir daher eine Onlinepetition gestartet, mit der wir WLAN in allen Gemeinschaftsunterkünften fordern. Auch hier hat Marlon uns bei Fragen zur Wahl der Plattform und der Kampagnengestaltung unterstützt. Eine weitere Hürde für uns als Verband wird nun, jemanden zu finanzieren, der uns in Zukunft bei der Installation und Wartung der IT unterstützt.
Mareen: Ein Meilenstein in unserer Öffentlichkeitsarbeit ist der Launch unseres Erklärfilms, den wir in den vergangenen Monaten zum Kreisjugendring und unserer breit gefächerten Arbeit entwickelt haben. Der wird unsere Kommunikation nach Außen sicher erleichtern. Auf Empfehlung von Marlon habe ich das Weiterbildungsbudget u. a. für einen Seminar beim Art Directors Club verwendet, bei dem ich das Texten für Kampagnen gelernt habe. Für die Öffentlichkeitsarbeit war das sehr hilfreich. Als nächstes soll der Newsletter schöner und übersichtlicher werden, auch dafür gibt es tolle Programme, wie ich jetzt weiß. Und dann wollen wir noch einen Styleguide entwickeln.
(Fotos: Akademie für Ehrenamtlichkeit)
Lorenz Overbeck vom Bundesmusikverband Chor und Orchester
„Wir haben uns bei dem Projekt Die Verantwortlichen #digital beworben, weil wir festgestellt hatten, dass wir bei unserer Arbeit noch einen blinden Fleck beim Thema Digitalisierung und Digitales Arbeiten haben. Die Frage, die wir uns gestellt haben war, wie wir mit digitalen Möglichkeiten die Arbeit der Ehrenamtlichen erleichtern können. Dazu muss man wissen, dass wir ein Dachverband von 21 Chor- und Orchesterverbänden mit insgesamt 100.000 Ensembles sind. Diese Ensembles organisieren sich hautsächlich ehrenamtlich. Da laut Erhebungen jede fünfte Stunde im Ehrenamt für Verwaltungsarbeit genutzt wird, möchten wir die Vereine in der Amateurmusik hier entlasten und praxiserprobte Lösungen vom Jugendschutz über Honorare bis zur GEMA-Meldung bieten.
Zudem war es uns ein Anliegen, den Wissenstransfer vom Hauptamt in die Vereine zu verbessern. Wir versenden zwar regelmäßig einen Newsletter, der geht aber an die anderen Verbände, die ihn dann wiederum an ihre Mitglieder weiterleiten. Da kommen leider nicht immer alle Informationen überall an.
Wir hatten schon zu Beginn des Projektes die Idee, eine Plattform mit unterschiedlichen Features zu entwickeln. Nachdem wir die vier Berater:innen beschnuppert hatten, war schnell klar, dass Stephanie von vostel.de die geeignete Begleitung für unser Vorhaben ist. Es stellte sich dann heraus, dass es nicht möglich sein wird, in der Zeit und mit dem Budget eine Plattform mit allen von uns angedachten Features zu entwickeln. Um schon im Entstehungsprozess eine hohe Akzeptanz für das Produkt herzustellen, haben wir unsere Zielgruppe nach ihrem Bedarf gefragt.
Wir haben unsere 21 Mitgliedsverbände interviewt: Was nutzt ihr? Was braucht ihr? Und wir haben eine Onlineumfrage gestartet, an der sich gut 1000 Amateurmusiker:innen beteiligt haben. So haben wir gemerkt, dass eine FAQ-Datenbank unserer Zielgruppe am meisten nutzt. Dann haben wir das Konzept für den Prototyp entwickelt und es mit den Verbänden abgestimmt. Zur Debatte haben wir zum Beispiel die Frage gestellt, ob das Redaktionssystem offen sein soll. Wir hatten da zwar eine Haltung, wollten das aber nicht bestimmen. Nun sind wir sehr glücklich zu wissen, dass auch unsere Mitglieder für wenige Redakteure und dafür verlässliche, leicht verständlich formulierte Inhalte sind.
Gerade haben wir die Programmierung ausgeschrieben. Im September 2020 wollen wir den Verbänden noch die Möglichkeit geben, die Plattform zu testen und und im Spätherbst soll sie online gehen. Wir sind zuversichtlich, dass das klappt. Stephanie sagt immer, dass die Programmierung auch keine Raketenwissenschaft ist. Ein weiteres Ziel für den Herbst ist es, ein Konzept zu erarbeiten, mit dem wir den Ausbau und die langfristige Betreuung der Plattform sicherstellen können. Wir müssen wissen, was der zukünftige Betrieb kosten wird. Schließlich müssen dann die Content-Redaktion, die technische Betreuung, die Weiterentwicklung der Suchbegriffe und Schlagworte, die Kommunikation und weitere Features finanziert werden.
Was mich in den ersten sechs Monaten am Projekt sehr bereichert hat, ist der großzügige Blick über den Tellerrand. Es ist sehr spannend, durch die Zusammenarbeit mit Stephanie und mit den anderen Teilnehmer:innen, zu sehen, wie andere Branchen mit anderen Tools unsere Probleme bearbeiten. Die teilnehmenden Organisationen haben teilweise sehr unterschiedliche Ausgangslagen, es sind lokale Vereine aber auch andere Dachverbände dabei. Der Einblick in andere Unternehmenskulturen, Methoden, Herangehensweisen ist sehr befruchtend.
Für mich ist im Prozess auch noch einmal unsere Rolle als Dachverband klarer geworden und dass immer, wenn es um Changemanagement geht, Menschen beteiligt sind, die man vor lauter Projektitis nicht vergessen darf.
Als nächstes möchte ich mich noch um meine Weiterbildung kümmern. Mich interessiert im Besonderen, wie man digitale Meetings und Workshops locker gestalten kann und damit auch den Teamspirit erhöht. Mein Kollege Jasko Dolezalek hat sein Weiterbildungsbudget bereits in
einen Workshop bei Google zu Agilem Arbeiten investiert.“
(Foto: Rebecca Krämer)
Ab Winter 2020/2021 bekommen 14 weitere zivilgesellschaftliche Organisationen die Möglichkeit, sich im Projekt Die Verantwortlichen #Digital weiterzuentwickeln. Dann geht das durch die Robert Bosch Stiftung und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat geförderte Projekt in die zweite Runde. Die Bewerbungsphase beginnt am 1. September und läuft bis zum 16. Oktober 2020.
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Im ersten Teil dieser Serie haben wir genauer gefragt, was eine Digitalstrategie eigentlich ist:
Im dritten Teil ab Ende August 2020 schauen wir uns einen weiteren Digitalisierungsprozess genauer an.
Super infos, danke!🙂