Digital-Report 2020: Interview mit Projektleiter Marcus Becker

Welches Potenzial birgt die Digitalisierung in Vereinen, Verbänden und Stiftungen? Es wird viel Potenzial verschenkt – sagt der DIGITAL-REPORT 2020. Wir haben zur Veröffentlichung mit Projektleiter Marcus Becker gesprochen.

Neuronales Netz, darüber steht: Digital Report 2020, Non Profits und IT

Smartphone, Online-Zusammenarbeit, Big Data, Smart Home, soziale Netzwerke, Industrie 4.0 –  die Digitalisierung durchdringt Beruf und Freizeit. Doch wie digital ist eigentlich der gemeinnützige Sektor in Deutschland? Der Digital-Report 2020: Non-Profits & IT gibt darauf umfassende Antworten. Aufbauend auf dem ‚IT-Report 2015 für Non-Profits‘ ist der Digital-Report 2020 die aktuell größte Erhebung in Deutschland zu diesem Thema. Die gesamten Ergebnisse sind interaktiv aufbereitet und auf einem Self-Service-Portal öffentlich zugänglich. Außerdem gibt es den Digital-Report auch als PDF-Version.

Marcus Becker, Projektleiter des Digital-Report 2020 bei Haus des Stiftens, gibt uns im Interview Einblicke in den Digital-Report.

…………………..

Herr Becker, der Digital-Report ist die größte Studie zum Thema Digitalisierung im Non-Profit-Sektor. Wie viele Organisationen haben denn mitgemacht?

Insgesamt haben sich mehr als 5.000 Non-Profit-Organisationen an der Befragung beteiligt. Und bei 70 Prozent der Organisationen hat der Vorstand oder die Geschäftsführung den Fragebogen zum Digital-Report 2020 beantwortet.

Auch wenn die hohe Zahl der teilnehmenden Organisationen schon für sich spricht, trotzdem die Frage: Wie repräsentativ ist die Studie?

Die Organisationen, die unseren Online-Fragebogen ausgefüllt haben, bilden die Non-Profit-Landschaft in Deutschland ziemlich gut und repräsentativ ab. Darunter sind naturgemäß sehr viele Vereine, die ja bei weitem die Mehrheit hierzulande ausmachen, aber auch Stiftungen und andere gemeinnützige Rechtsträgerformen.

Aber nicht nur die große Zahl an teilnehmenden Organisationen gibt dem Digital-Report eine hohe Repräsentativität, sondern auch wie sich die Organisationen hinsichtlich Bundesland oder Tätigkeitsschwerpunkt verteilen. So machen beispielsweise Non-Profits aus Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg rund 50 Prozent der Stichprobe aus. Das entspricht in etwa auch den Angaben im ZiviZ-Survey.

Digitalisierung ist ja mehr als nur die Nutzung von PC, Internet & Co. Vielmehr geht es um einen digitalen Wandel oder Umbruch. Wird das in der Studie berücksichtigt?

Wir haben für den Digital-Report 2020 einen sehr umfassenden und komplexen Online-Fragebogen genutzt, um der Vielschichtigkeit und den verschiedenen Aspekten der Digitalisierung besser Rechnung tragen zu können. Wir wollten verstehen, welche Faktoren Digitalisierung, wenn man sie als komplexe Entwicklung, als Transformation einer gesamten Organisation versteht, begünstigen oder behindern.

Um diese komplexen Eigenschaften zu erfassen und mehr über die Bedingungen zu erfahren, unter denen Digitalisierung in Non-Profit-Organisationen am wirkungsvollsten ist, nutzte die Uni Mannheim wissenschaftlich geeignete Messinstrumente in Form von Fragebatterien bzw. daraus gebildete Konstrukte. So konnten dann tiefergehende Analysen durchgeführt werden.

Abbildung: Haus des Stiftens gGmbH

Was haben Sie denn die Organisationen alles gefragt?

Der Online-Fragebogen des IT-Reports 2015 war zwar die Grundlage, wurde aber aus den genannten Gründen stark überarbeitet und weiterentwickelt. So wurden nun auch Aspekte wie Lernorientierung, Stakeholder-Orientierung, Einstellung gegenüber IT, Zugang zu Ressourcen, Finanzierungsquellen und viele andere Faktoren mehr abgefragt. Natürlich hatten wir auch Fragen zur technischen Ausstattung, zu den IT-Kosten und –Investitionen, aber auch zu digitalen Kompetenzen und zur Strategie.

Insgesamt gab es vier Frageblöcke zu Organisation, Technologieorientierung, IT-Infrastruktur und Social Media. Deren Beantwortung dauerte etwa 20-25 Minuten, was ja doch einen erheblichen Zeitaufwand bedeutet. Daher freut es mich umso mehr, dass so viele Organisationen mitgemacht haben. Insgesamt konnten wir über 1 Million Datenpunkte realisieren, die jetzt allen Interessierten auf der Plattform eine Vielzahl an individuellen Auswertungsmöglichkeiten beschert.

Kann man auf Basis der Studienergebnisse sagen, dass der gemeinnützige Sektor bei der Digitalisierung generell abgehängt ist oder hinterherhinkt?

Die Antwort hier ist ein klares Jein. Da der gemeinnützige Sektor in Deutschland ähnlich groß, heterogen und vielgestaltig ist wie der KMU-Sektor, gibt es natürlich hinsichtlich der Digitalisierung die unterschiedlichsten Ausprägungen. So gibt es Organisationen, die digitale Technologien vollständig in ihre Arbeit integriert haben, die damit bestehende Dienste verbessern oder sogar neue Dienstleistungen erbringen. Das sind tendenziell eher wenige, aber es gibt sie.

Andere wiederum hängen in der Tat hinterher, aber die Frage hier ist, wem hängen sie hinterher. Inwieweit man Vergleiche mit der Privatwirtschaft oder gar bestimmten stark digitalisierten Branchen anstellen kann, wage ich zu bezweifeln. Damit wir Äpfel mit Äpfeln vergleichen, haben die Uni Mannheim und CorrelAid für den Digital-Report einen sogenannten digitalen Schnell-Check entwickelt, mit dem sich Organisationen auf dem interaktiven Online-Portal hinsichtlich ihres digitalen Reifegrads einerseits mit der Gesamtheit der befragten Non-Profits vergleichen können und andererseits mit Organisationen, die ihrer ähnlich sind.

Abbildung: Haus des Stiftens gGmbH

Es gibt doch schon diverse Studien. Was macht den Digital-Report besonders?

Es stimmt, dass es verschiedene Studien im Bereich Zivilgesellschaft, Ehrenamt, Engagement und vieles mehr gibt, die sich an der einen oder anderen Stelle mit ein paar wenigen Fragen auch mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen. Mit dem Digital-Report stellen wir das Thema Digitalisierung bei Non-Profits aber in den absoluten Fokus und gewinnen so natürlich tiefergehendere und umfassendere Erkenntnisse.

Die meisten uns bekannten Studien haben sich zudem auf einen inhaltlichen Schwerpunkt (Bsp.: Online Kommunikation) fokussiert. Es wurden darin aber keine Forschungsmodelle entwickelt die uns helfen zu verstehen, inwiefern z.B. erfolgreiche Digitalisierung sich auf den Ressourcenzugang von Organisationen (Mitglieder, Spender etc) auswirkt.

Aufgrund der geringen Teilnehmerzahl in den meisten Studien sind diese auch eher qualitativ orientiert. Trotzdem lohnt sich natürlich eine qualititative Betrachtung – so haben wir im Digital-Report sechs Interviews mit Organisationen geführt. Diese „Insights aus dem Sektor“ begleiten beim Lesen durch unseren Report.

Abbildung: Haus des Stiftens gGmbH

Was ist das Ziel des Digital-Reports?

Mit der Umfrage sollen empirisch belastbare Entwicklungen und ein Status quo über den Digitalisierungsgrad in der Zivilgesellschaft in Deutschland sichtbar gemacht werden. Damit möchte der Digital-Report Denkanstöße und Impulse liefern – sowohl für den öffentlichen Diskurs wie auch für die interne Diskussion bei gemeinnützigen Organisationen.

Unsere Studienergebnisse sind wissenschaftlich untermauert und für alle interessierten Bürger und Aktive aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien öffentlich zugänglich. So kann sich jeder selbst ein Bild machen, mitdiskutieren, Dinge anstoßen und bewegen. Und wenn wir hier einen wertvollen Beitrag liefern können,  dann ist haben wir alles richtig gemacht.

Der Digital-Report 2020 wurde initiiert und herausgegeben von der Haus des Stiftens gGmbH (Projektträger) und gefördert vom Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat. Die wissenschaftliche Begleitung lag beim Lehrstuhl für Corporate Social Responsibility der Universität Mannheim. Die Konzeption und Entwicklung des Online-Portals erfolgte durch CorrelAid e.V.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Mehr Beiträge aus dem Magazin

D3 – so geht digital ist ein Projekt der     gefördert durch  Logo DSEE