Liebe Eileen, an wen richten sich die Angebote von MAPP-Empowerment?
Wir sind ein Träger der Kinder und Jugendhilfe und bieten Fort- und Weiterbildungen für pädagogische Fachkräfte an. Mit unseren Aktivitäten verfolgen wir eine Mission: Gleiche Chancen für alle Kinder zu schaffen – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Unsere Zielgruppe sind sozial benachteiligte Familien in Multi-Problemlagen. Wir wollen die Eltern der Kinder erreichen und bessere Lebens-, Bildungs- und Gesundheitschancen schaffen. Das ist unser Kerngeschäft.
Unser Flaggschiff ist unser Präventionsangebot: das ELTERN-AG-Programm. Das ist ein Empowerment-Kurs für Eltern, die sich im Rahmen von Gruppenaktivitäten austauschen. Dort wollen wir die Eltern animieren, selbst Lösungen zu finden, in den Austausch zu gehen, soziale Unterstützungsnetzwerke aufzubauen. Wir schauen mit ihnen zusammen, wo ihre Ressourcen und Kompetenzen liegen und suchen gemeinsam Lösungen für Stresssituationen. Parallel dazu bilden wir deutschlandweit Trainer:innen von unterschiedlichsten Trägern aus. Diese berufsbegleitende Ausbildung haben wir nun in großen Teilen digitalisiert.
Warum habt ihr euch zu diesem Schritt entschlossen?
Die Überlegung unser Programm zu digitalisieren, gab es schon eine ganze Weile. Wir sind oft auf Herausforderungen und Hindernisse gestoßen, die eher in den Ressourcen der Träger begründet waren. Lange Fahrtstrecken, aber auch die Reise- und Übernachtungskosten waren für sie vor allem in Zeiten von Fachkräftemangel und Unterbesetzung im sozialen Bereich eine Herausforderung. Die berufsbegleitende Ausbildung ist mit neun bis zwölf Monaten sehr lang und beinhaltete bislang insgesamt zwölf Präsenztage. Wenn die Träger zwei Fachkräfte für zwölf Tage vom Tagesgeschäft freistellen müssen, hindert das viele Träger dran, Menschen in die Ausbildung zu schicken.
Neben dem beruflichen Kontext spielt für viele Fachkräfte auch die eigene Familie beim Zeitmanagement eine Rolle. Sie haben oftmals Kinder, sind vielleicht sogar alleinerziehend oder müssen jemanden pflegen. Damit wir den Bedürfnissen der Träger und Menschen, die dahinter stehen, gerecht werden, wollten wir diese Hürden
unbedingt abbauen.
War es für euch leicht, euch von eurem erfolgreichen Präsenzkonzept zu verabschieden?
Die ELTERN-AG-Trainer:innen Ausbildung gibt es schon rund 15 Jahren. Vor zwei Jahren haben wir dann begonnen, Teile zu digitalisieren. Aber wenn man 13 Jahre die eigene Veranstaltung – zumindest aus eigener Sicht – perfektioniert hat, ist es nicht leicht, sich von dem gut funktionierenden Konzept zu verabschieden, beziehungsweise es zu modifizieren. Dieser Schritt erfordert ein gewisses Maß an Loslassen und Weiterdenken.
Damit haben wir uns zu Beginn ein bisschen schwer getan. Letztendlich hat uns die Pandemie – so schlimm sie auch ist – dazu gezwungen, schneller zu handeln. Wir hatten schon viele Ideen in unseren Schubladen. Als dann der Zeitpunkt gekommen war, wo wir nichts mehr in Präsenz durchführen konnten, mussten wir uns schnell etwas überlegen. Sonst hätten wir unser Programm nicht am Laufen halten können. Wir saßen also erstmal viel zusammen, haben diskutiert und sind die Ablaufpläne unserer Ausbildung immer wieder durchgegangen.
Für welches E-Learning-Format habt ihr euch entschieden?
In unserer Ausbildung haben wir immer Wert darauf gelegt, das Ganze vielfältig und interaktiv zu gestalten. So dass die langen Ausbildungstage recht kurzweilig waren. Wir haben immer den persönlichen Kontakt zu den Fachkräften genossen, weil wir persönliche Bindungen herstellen wollten. Und gerade dieser Aspekt hat in unserem Team für viele Diskussionen gesorgt. Die zwei großen Fragen waren: Wie werden wir unserem eigenen Anspruch gerecht? Und schaffen wir es, unsere Vielfalt in einer digitalen Variante widerzuspiegeln? Von vornherein war uns klar, dass wir nicht einfach nur einen virtuellen Veranstaltungsraum eröffnen wollen.
Wir empfinden uns als junges, dynamisches und innovatives Team und wollten das auch in der digitalen Variante widerspiegeln. Wir haben viel darüber recherchiert, wie Lernplattformen aussehen könnten. Das war ein interessanter Prozess, weil wir gemerkt haben, wie groß die Vielfalt ist. Die Motivation sich wirklich von der Präsenz zu lösen, stieg mit jeder neuen Option an. Am Ende haben wir uns für eine Moodle-basierte E-Learning-Plattform entschieden, weil wir damit unsere Ausbildung, wie gewohnt, bunt und spielerisch gestalten können.
Wer hat die E-Learning-Plattform konzipiert, aufgebaut und technisch realisiert?
Wir sind über Empfehlungen auf den IT-Dienstleister edicos aus Hannover gestoßen, der schon viel Erfahrung mit Kooperationen im sozialen Sektor hat. Das war gut, weil wir einen Partner brauchten, der uns versteht und unterstützt. Gemeinsam haben wir uns dann dazu entschieden, als technische Basis die Open Source-Software Moodle einzusetzen. Unsere Aufgabe im Team war es, uns zu überlegen, welche Medien wir benutzen wollen und wie das Ganze aussehen soll, ob wir beispielsweise Voice-Over-Präsentation nutzen wollen oder nicht.
Für die Konzeption, Entwicklung und Gestaltung war edicos zuständig. Schlussendlich ist es eine Plattform geworden, durch die Teilnehmende per Wegweiser mit interaktiven H5P-Aktivitäten, Videos, Praxisaufgaben und spielerischen Lernelementen bis hin zum vertiefenden Selbststudium geführt werden. Wir haben unglaublich viele Erklärvideos gedreht, Podcasts produziert und klassische Voice-Over-Präsentationen erstellt. Auf jedem Level stellen wir unser Wissen in einem der Formate zur Verfügung. Anschließend testen wir die Lernerfolge bei den Teilnehmenden, beispielsweise über Multiple-Choice-Fragen oder Lückentexte. Erst wenn die Aufgaben richtig beantwortet werden, steigen die Teilnehmenden ins nächste Level auf.
Wie habt ihr die Plattform finanziert?
Am Anfang dachten wir noch, wir lassen alles für unsere Bedürfnisse programmieren. Aber die Kosten dafür waren viel zu hoch. Deswegen haben wir uns für die Open Source-Plattform entschieden, das hat die Kosten minimiert. Die restlichen Ausgaben haben wir über Förderungen finanziert, die im Rahmen der Digitalisierung zur Verfügung standen. Wir haben viele Förderanträge geschrieben und hatten dann wirklich Glück. Insbesondere der SKala-Zukunftsfonds hat uns unglaublich unterstützt und die Digitalisierung der Ausbildung letztendlich final auch ermöglicht.
Warum habt ihr euch für Blended Learning, also der Kombination aus Präsenzveranstaltung und E-Learning, entschieden?
Die zweitägige Auftaktveranstaltung in Präsenz abzuhalten, ist uns wichtig. Dort legen wir den Grundstein, erklären die Basis und führen in die digitale Plattform ein. Wir haben eine sehr breite Altersspanne bei den Teilnehmenden. Auch was die Affinität zur Technik angeht, sind die Voraussetzungen unterschiedlich. Einigen sozialen Trägern fehlen zudem die technischen Voraussetzungen, beispielsweise haben manche Kindertagesstätten gerade mal einen Rechner für das gesamte Personal. Daher müssen wir uns am Anfang immer die Frage stellen: Ist es für unsere Partner überhaupt möglich, in diesem Ausmaß digital mit uns in Kontakt zu treten und wie können wir sie unterstützen?
Alle sollen sich gut abgeholt fühlen, damit am Ende niemand vor dem Rechner sitzt und Angst hat, sich einzuloggen. Wir erklären die Funktionsweise der Plattform, geben einen Leitfaden an die Hand und die Sicherheit, dass wir bei allen Fragen ansprechbar sind. Und wir knüpfen erste persönliche Bande, die für unsere Ausbildung wichtig sind. Wir hatten erst die Befürchtung, dass die Pausengespräche fehlen würden und der Kontakt dadurch nicht so intensiv ist, aber das ist zum Glück nicht der Fall – was auch daran liegt, dass wir jederzeit für die Teilnehmenden ansprechbar sind und sie sich auch gegenseitig über Chatfunktionen in ihrer Gruppe austauschen können. Das alles hat in den letzten sechs Ausbildungsrunden sehr gut funktioniert.
Was war bei der Entwicklung der verschiedenen Formate die größte Herausforderung für euch?
Die Präsentationen, die wir sonst vor Ort mit Beispielen und Leben füllen und die von der Interaktion mit der Gruppe profitieren, wollten wir in genauso lebendige Erklärvideos transferieren. Dafür mussten wir uns selbst viele Fragen beantworten, zum Beispiel: Welchen Jingle wollen wir nutzen? Welches Wissen einblenden? Wer spricht von uns? Und in welchem Setting soll die Szene gedreht werden? Dieser ganze Aufwand, danach das Schneiden und Zusammenfügen – das war für uns schon ein ganz neues Erlebnis und eine Herausforderung. Aber tatsächlich sind wir am Ende alle sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Lediglich eine Kalenderfunktion haben wir nachträglich noch hinzugefügt. Sonst haben wir alle Tools, die wir brauchen. Bei Updates kommt es hin und wieder mal zu Verzögerungen oder wir müssen den Support einschalten. Aber es gibt momentan nichts, was wir ändern oder ergänzen würden. Wir sind hundert Prozent zufrieden.
Und wie ist das Feedback der Teilnehmenden?
Unsere Ängste, dass die technische Affinität fehlt oder es zu wenig Interesse gibt, waren völlig unbegründet. Das liegt auch daran, dass die Plattform wirklich sehr niedrigschwellig konzipiert wurde. Und das ist auch das Feedback, das wir von den Teilnehmenden bekommen. Viele, die vorher Ängste hatten, weil sie privat Technik wenig nutzen, haben uns gesagt, dass die Plattform wirklich super aufgebaut und total verständlich ist. Es gibt dort auch ein kleines Wiki über alle Begriffe, die wichtig sind. Die einzelnen Levels sind wirklich lustig und kreativ gestaltet, so ist die Ausbildung auch mit jeder Menge Spaß verbunden. Und durch die flexiblen Ausbildungszeiten, kann jede und jeder je nach Kapazität schauen, wann es gerade gut passt. Zumal sich die Teilnehmenden Videos und Inputs so oft anschauen können, wie sie möchten. Alle können ihr eigenes Tempo bestimmen und Pausen machen, wenn nötig.
Und was sind die wichtigsten Vorteile für euch?
Es war eine Investition, die wirklich auf vielerlei Ebenen sinnvoll war. Dadurch, dass unsere Ausbildung so reich, bunt und kreativ ist, war früher der Aufwand im Vorfeld recht groß. Dieser Aufwand ist für uns als Unternehmen deutlich kleiner geworden, so sind neue Ressourcen frei geworden. Und durch den Wegfall der Anreisen tun wir der Umwelt etwas Gutes. Was uns sehr geholfen hat: Wir haben das Team bei jedem Schritt mit eingebunden, haben gefragt, was sie brauchen, sich wünschen und was notwendig ist. Wir haben den Prozess des Loslassens von unseren Präsenzveranstaltungen behutsam gestaltet und sind dann erst mit dem Software-Entwicklungsteam ins Gespräch gegangen. Das hat vieles einfacher gemacht.
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