Clara, zum Auftakt gleich eine große Frage: Ist die Digitalisierung bei der DKJS sinnvoll, notwendig oder nice to have?
Notwendig, sinnvoll und ich würde sagen – very nice to have! Ich sehe da mehrere Ebenen: Zum einen ist es eine strategische Entscheidung der Geschäftsführung, ein Unternehmen zukunftsorientiert aufzustellen – und dazu gehört ganz sicher auch die Digitalisierung. Zum anderen ist die DKJS seit ihrer Gründung 1994 stark gewachsen. Wir arbeiten dezentral als ein Netzwerk mit bundesweiten Standorten.
Mit digitalen Hilfsmitteln können wir nicht nur unkompliziert, sondern auch ressourcenschonend kollaborativ arbeiten. In diesen Bedingungen sehe ich eine direkte Notwendigkeit, sich zu digitalisieren. Die Belastung durch ständiges Reisen verringert sich stark und das Management diverser Standorte wird deutlich vereinfacht. Außerdem ist es für uns wichtig, nah an der digital-affinen Zielgruppe (Kinder und Jugendliche) zu sein. Wie sollen wir uns authentisch für digitale Kompetenzen einsetzen, wenn uns diese selber fremd wären?
Seit 2015 arbeitet Clara Holler als Wissensmanagerin bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS). 2016 übernahm Clara die Projektleitung für die Einführung von Microsoft365. Seither unterstützt Clara ihre Kolleg:innen bei der Nutzung dieser Anwendung. Ihre drei Lieblingsprogramme: Skype für Videocalls, OneNote für Notizen und Forms für Umfragen.
Wie digitalisiert sich eine Organisation wie die DKJS?
Wir haben bei der Stiftung zwar eine recht junge Belegschaft, „digital natives“ sind aber eher nicht dabei. Dennoch waren viele gegenüber dem Thema Digitalisierung sehr aufgeschlossen. Die Umstellung fiel vor allem Mitarbeiter:innen mit einer intrinsischen Motivation für die Digitalisierung leicht. Sie konnten unmittelbar von der Umstellung profitieren, da sich ihre Arbeitsabläufe sofort vereinfachten.
Natürlich gab es auch Mitarbeitende, die Vorbehalte hatten. Oft wiesen ihre Arbeitsabläufe wenige Schnittstellen mit anderen Abteilungen auf – so konnten sie sich ihre eigenen Abläufe gut einrichten. In der Digitalisierung sahen sie zuerst keine Vorteile für sich und ihre Arbeit. Vielmehr verunsicherte sie die Frage, wie ein solcher Prozess parallel zur anfallenden Arbeit laufen sollte. Um die Vorbehalte zu verstehen und gemeinsam aus dem Weg zu räumen, nahmen wir uns viel Zeit. In Gesprächen und Workshops konnten wir immer besser die Bedenken verstehen und darauf reagieren.
Welche Widerstände galt es zu überwinden und wie seid ihr mit den Herausforderungen umgegangen?
In unseren Denkrunden – bei uns ein ein bewährtes, analoges Format zum Gedankenaustausch – schimmerte durch, dass es in manchen Teams Angst vor Leistungskontrolle und Bewertungen gab. Andere befürchteten, zukünftig weniger autark arbeiten zu können. Auf einmal kamen organisationskulturelle Themen auf den Tisch, die wir sehr ernst genommen haben – an manchen Stellen brauchte es ein neues, beidseitiges Vertrauen. In schwierigen Diskussionen fand ich es immer hilfreich, sich darauf zu besinnen, was unsere gemeinsamen Ziele sind: Bildungsgerechtigkeit, gesellschaftliche Teilhabe für Kinder und Jugendliche. Wir arbeiten doch alle zusammen an diesem Ziel und nicht jede:r für sich.
Außerdem: So eine Transparenzoffensive gilt für die Belegschaft genau so wie für die Geschäftsführung und das mittlere Management – eben für alle, die hier arbeiten. Meiner Überzeugung nach hat der Prozess der Digitalisierung bei uns das Wir-Gefühl enorm gestärkt.
Welche spürbaren Auswirkung kannst du bereits feststellen?
Vor allem die kollaborativ arbeitenden Bereiche profitieren schnell von der Digitalisierung. Der Arbeitsalltag ist nun leichter. Für viele war es anfangs noch etwas Besonderes, wenn mehrere Leute gleichzeitig in einem Dokument arbeiten und man sich dabei digital begegnet. Das ist mittlerweile normal geworden.
Außerdem haben sich die Wege verkürzt. Bei der Zusammenarbeit mit den Regionalteams fühlt es sich an, als wären unsere Kolleg:innen auf der anderen Seite des Flurs und nicht in einem anderen Bundesland. Ich persönlich finde Video-Calls toll! Allein dadurch, dass man sich regelmäßig sieht, hat sich eine starke menschliche Nähe trotz geografischer Entfernung entwickelt. Auch das stärkt das Wir-Gefühl.
Und wie war die Umstellung der Arbeit beim Corona-Lockdown?
Zum Zeitpunkt des Lockdowns im März 2020 war bei uns digital bereits alles bestens eingespielt. Ohne Probleme konnte die Stiftungsbelegschaft sofort remote arbeiten. Und nicht nur das. Wir haben durch unser Expert:innenwissen viele Anfragen erhalten, wie man in dieser speziellen Zeit auf die Herausforderungen reagieren kann. Immer wieder konnten wir anderen Organisationen bei Fragen rund um das Thema „remote“ unterstützen. Die Digitalisierung hat uns zu einer gewissen Resilienz verholfen.
Was sind eure Erfolgsfaktoren? Was braucht eine erfolgreiche Digitalisierung?
Der Prozess wird leichter und leichter, je mehr die Geschäftsführung unterstützt. Dass die Entscheidung für die Digitalisierung von der Geschäftsführung so stark mitgetragen wurde, habe ich als einen sehr wichtigen Erfolgsfaktor erlebt. Uns wurden Ressourcen in Form von Zeit und Vertrauen zur Verfügung gestellt. Das zeigt eine besondere Wertschätzung für das Thema. Die Überzeugung der Geschäftsführung hat auch eine Strahlkraft, die positiv auf die Mitarbeitenden und das Management wirkt.
Wir haben uns sehr bemüht, jeden einzeln abzuholen, Meinungen zu hören, Bedenken zu analysieren. Das bindet Zeit und kann auch organisationskulturelle Prozesse anstoßen. Wir haben das genutzt – so entstand ein neues Vertrauen ohne die Furcht vor Kontrolle und Leistungsdruck.
Ich schätze es sehr, dass wir mit den zur Verfügung gestellten Ressourcen – vor allem mit Zeit – verantwortungsbewusst und frei umgehen durften. Wir haben iterativ mit Testpersonen einzelne Prozesse und Tools ausprobiert. Mit den gewonnenen Erfahrungen konnten wir unsere Prozesse immer genauer an unsere Ansprüche anpassen. Das hatte einen guten Nebeneffekt: Andere Kolleg:innen fragten neugierig bei den Testpersonen nach und wollten zum Beispiel vor der breitflächigen Einführung von „SharePoint“ erfahren, was für Nutzen und Funktionen zu erwarten sind. So hat der Flurfunk für positive Stimmung den neuen digitalen Werkzeugen gegenüber gesorgt.
Dann kam die Einführung. Auf einmal fand ich mich in der Erwachsenenpädagogik wieder und machte die gesamte Stiftung mit den Tools vertraut. Mein Vorteil: Ich konnte den Mitarbeitenden als Kollegin begegnen. Ich bin kein IT-Nerd; konnte also gut als eine Art Dolmetscherin die Werkzeuge erklären. Das war für uns besser, als eine externe IT-Expertin für Schulungen zu buchen.
Ein hoher Spaßfaktor war mir bei den Lehrgängen immer total wichtig. Wir haben Unterlagen entworfen, die sehr spielerisch die Neugierde auf die neuen Tools wecken sollten. Mit humorvollem Storytelling führten wir Missionen durch das „Office-Universum“ oder veranstalteten eine Schnitzeljagd durch unser Wiki mit abschließender Preisverleihung durch den Geschäftsführer. Für mich ein weiterer Beweis, wie sehr die Geschäftsführung hinter der Digitalisierung steht!
Was würdest du im Rahmen der Digitalisierung der DKJS gern noch angehen?
Neben einer Personal-Software und einer Datenbank für unsere Wirkungsanalyse ist auch ein CRM (Customer Relationship Management, ein System zur Kundenpflege) sinnvoll. Mein persönliches Anliegen ist es, intern zeitnah auf Mails zu verzichten! Es liegen meiner Meinung nach immer noch viel zu viele Informationen verborgen in den Postfächern, für die es viel bessere Orte gäbe (beispielsweise Sharepoint oder Wiki). Ich wünsche mir, dass wir weiterhin eine Organisationskultur für Offenheit, Neugier und Innovationswillen pflegen, in der wir mit Spaß Neues ausprobieren können.
Zentrale Tools in der DKJS
Sharepoint ist eine Webanwendung von Microsoft. Den individuellen Anforderungen entsprechend kann diese Plattform mit Komponenten für Kommunikation, Bibliotheken, Insights und mehr zugeschnitten werden. Auch eine Kombination mit MS 365 Anwendungen ist vorgesehen und erleichtert die systematische Teamarbeit.
MS 365 ist ein Software-Abo mit Office-Anwendungen und verschiedenen Online-Diensten (z.B. Videocalls). Es ermöglicht mit seinem Cloud-Dienst gleichzeitiges Bearbeiten von Dokumenten (vergleichbar mit Google Drive und Docs etc.).
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