Lange war unklar, wie tiefgreifend die deutsche Zivilgesellschaft durch die corona-bedingten Einschränkungen der Handlungsspielräume finanziell unter Druck gesetzt wird. Die Rettungsschirme der ersten Jahreshälfte 2020 machten sogar den Eindruck, den sozialen Sektor schlichtweg übersehen zu haben – und dass, obwohl er über 3 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze stellt und gerade in Krisenzeiten in seiner gesellschaftlichen Leistung so unabdingbar ist.
Die wichtigsten Instrumente zur finanziellen Krisenhilfe des ersten Lockdowns waren durch gemeinnützige Organisationen aus rechtlichen wie praktischen Gründen weitgehend nicht nutzbar, die entwickelten Programme zum großen Teil für soziale Organisationen nicht zugänglich. Auch für gewerblich organisierte Akteure der Zivilgesellschaft, die bewusst als non- oder low-profit wirtschaften, hatten sie praktisch kaum Relevanz: In einer Umfrage des Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. vom April 2020 sahen sich 46% der Befragten durch die Auswirkungen der Krise in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet. Aber nur 3,2% gaben an, die Hilfsprogramme der KfW nutzen zu können.
Die Einblicke, was Corona in den Organisationsbudgets der deutschen Zivilgesellschaft bewirkt, haben wir vor allem der Zivilgesellschaft selbst zu verdanken. Diese hat angesichts der eklatanten Lücke in den Hilfsprogrammen im Frühjahr schnell und nachdrücklich begonnen, Bedarfe aufzunehmen und in Umfragen zu belegen.
Eine erste Publikationswelle entstand pragmatisch, in gut erreichbaren Stakeholderkreisen und war auf schnelle Erkenntnisse ausgelegt. Es ging darum, Druck auf die Politik für eine Nachjustierung der Hilfsprogramme aufzubauen. Vor allem private Fördermittelgeber suchten eine Orientierung, wie sie ihre Richtlinien anpassen sollten, um den geförderten Organisationen das Navigieren in der Krise zu ermöglichen. Und nicht zuletzt dienten die Erkenntnisse als inhaltliche Grundlage und zur Mobilisierung für eigene Hilfsfonds aus der Zivilgesellschaft für die Zivilgesellschaft, die versuchten, die dringendsten Bedarfe zu decken und wichtigsten Lücken des staatlichen Rettungsschirms zu schließen.
Eine zweite Publikationswelle startete mit dem Spätherbst 2020. Sie geht weiter in die Tiefe, validiert Annahmen in der Breite, schafft Zusammenhänge und sucht nach kurzfristigen Effekten und Anzeichen für langfristige Folgen. Diese Einblicke sind hoffentlich nicht nur Grundlage für eine zielgerichtete Unterstützung des sozialen Sektors, damit er seine stabilisierende Rolle für die Gesellschaft in der Krisenbewältigung ausspielen kann. Aus ihnen lassen sich auch Hinweise ziehen, wie eine krisenresiliente Finanzierungsstruktur für zivilgesellschaftliche Organisationen aussehen kann.
Die gesellschaftliche Krisenerfahrung lädt die Zivilgesellschaft ein, ihre sozialen Leistungen, ihre Innovationskraft, ihre systemischen Entwicklungsbedarfe und -chancen unter die Lupe zu nehmen. In unserem API-Report werfen wir zwei Schlaglichter auf die Lage und Entwicklung der deutschen Zivilgesellschaft in der Krise – und formulieren zwei Appelle in Richtung Weiterentwicklung. Den ganzen Bericht gibt’s hier zu lesen!
Wie sich die Zivilgesellschaft in Deutschland finanziert
So vielfältig die organisierte Zivilgesellschaft ist, so unterschiedlich sind ihre Finanzierungsquellen. Je nach Größe, Kontinuität, Schwerpunkt auf Haupt- oder Ehrenamt, Kooperationsgrad mit der öffentlichen Verwaltung, Rechtsform und auch Tätigkeitsfeld ist die Finanzierung unterschiedlich strukturiert. Die große Mehrheit der Organisationen aber eint, dass sie Dank eines bunten Mixes aus Finanzquellen handlungsfähig sind und mit knappen Budgets haushalten müssen. Dabei spielen Mitgliedsbeiträge und Fördermitgliedschaften vor allem für Vereine eine tragende Rolle – auch wenn die Landschaft von zunehmenden Schwierigkeiten berichtet, Mitglieder und Förderer dauerhaft an sich zu binden.
Gleichzeitig gewinnen Spenden und Sponsorengelder zunehmend an Bedeutung, ganz wesentlich auch in Form von Projektfördermitteln privater Förderer wie z.B. Stiftungen. Diese bestimmen neben den öffentlichen Fördermitteln von Bund, Ländern und Kommunen wesentlich, wie zivilgesellschaftliche Arbeit projektseitig strukturiert ist.Ergänzend wirtschaften soziale Organisationen häufig in hybriden Modellen, in einer Mischung aus gemeinnütziger Finanzierung durch Spenden, Fördermittel und Mitgliedsbeiträgen auf der einen und wirtschaftlichen Geschäftstätigkeitenauf der anderen Seite. Sie vertreiben Produkte, erbringen Dienstleistungen und nehmen Eintrittsgelder und Teilnahmegebühren ein. Kulturelle und Bildungsakteure wie Theater oder Museen und gerade sozialunternehmerisches Handeln fußen häufig zu großen Teilen auf diesem Umsatzkanal.
Finanzielle Effekte der Krise
Jeder dieser Umsatzkanäle war in den vergangenen Monaten durch die gesellschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. Am direktesten und nachdrücklichsten litt und leidet der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb. Veranstaltungen fallen aus, Vertriebsflächen sind geschlossen. Das Wegbrechen ist dabei nahezu sektorumfassend: 82% der im November 2020 im ZiviZ-Corona-Panel befragten Organisationen berichten von Einbußen. Wie schmerzhaft diese sind, hängt daran, wie groß die Rolle der erwirtschafteten Mittel im Finanzierungsmix ist. Unter den gemeinnützigen Organisationen leidet, wenig erstaunlich, am meisten der Bereich der Kunst und Kultur.
Daneben sind die gemeinwohlorientierten Unternehmen besonders betroffen: In der SEND-Umfrage gaben knapp 90% der befragten Organisationen an, dass ihre Umsätze aus dem Verkauf von Produkten und/ oder Dienstleistungen negativ betroffen sind. Da dieser Kanal zumeist die wichtigste Umsatzquelle für Sozialunternehmen ist, ist kaum erstaunlich, dass die Hälfte der befragten Organisationen ihre Existenz im Laufe des Jahres gefährdet sahen. Nicht zuletzt das Beispiel des renommierten Hamburger Branchenvorreiters “Dialog im Dunkeln”, der sich v.a. über Eintritts- und Veranstaltungsgelder finanziert, macht deutlich, wie verletzlich Non- oder Low-Profit-Modelle sind, sobald ihr Normalbetrieb durch einen externen Schock aus den Fugen gerät.
Doch auch die gemeinnützigen Finanzierungskanäle sind unter Druck: Corona hat das Spendenverhalten in Deutschland deutlich beeinflusst. So lässt sich einerseits zumindest im ersten Halbjahr 2020 ein deutlicher Zuwachs an Spenden festhalten: Menschen waren bereit, mehr zu geben. Gleichzeitig fokussierte sich dieses Plus vor allem auf große Organisationen. Bei kleinen Organisationen überwog ein Spendenrückgang, den alle vom DZI befragten Index-Organisationen ganz oder teilweise auf die Corona-Krise zurückführen. Hinzu kommt: Spendensammeln hängt auch an Veranstaltungsformaten wie Spendenläufen, Wohltätigkeitsbasaren oder Soli-Events sowie am direkten Ansprechen an der Haustür und auf öffentlichen Plätzen. Diese Quellen sind wiederum gerade für kleinere, im Lokalen verwurzelte Initiativen wichtig und wurden mit Corona schwierig oder unmöglich. Digital versierte Organisationen konnten die fehlenden analoge Formate erfolgreich in den wachsenden Raum des Onlinefundraisings übertragen, was z.B. die Verdopplung des jährlichen Spendenvolumens von 2019 auf 2020 der gemeinnützigen Onlinefundraising-Plattform betterplace.org belegt.
Doch auch wenn die vergangenen zehn Monate einen Digitalisierungsschub für die gesamte Zivilgesellschaft bedeuten, sind nicht alle sozialen Akteure gleichermaßen versiert und nicht alle Zielgruppen gleichermaßen als digitale Spender:innen aktivierbar.
Das Feld bleibt zu beobachten. Die schlechtere wirtschaftliche Gesamtsituation birgt das Risiko, sich zunehmend auch auf die Spendenzahlen niederzuschlagen. Das ZiviZ-Corona-Panel vom November zeichnet mit einem Spendenrückgang bei 48% der befragten Organisationen ein deutlich negativeres Bild als die DZI-Spendenstatistik zum ersten Halbjahr.
Ebenso schmerzhaft sind die Bewegungen im Bereich der Mitgliedschaften und Fördermittel. Sie entwickeln sich langsam und nachgelagert, aber mit einschneidenden Effekten. Gerade die Breite der kleinen, lokalen Vereine finanziert sich vor allem aus Mitgliedsbeiträgen. Im ZiviZ-Corona-Panel berichten im August 2020 15%, im November 17% der befragten Organisationen von Corona-bedingten Austritten. Die Zahl scheint nicht hoch – ist es aber, wenn man bedenkt, dass es dabei um die Grundfinanzierung in minimal ausgestatteten Organisationen wie Sportvereinen, Kultur- oder Umweltinitiativen geht. Neue Mitglieder zu finden und langfristig zu binden, ist hier ohnehin eine der wichtigen organisatorischen Herausforderungen. Die Corona-Krise wirkt damit destabilisierend auf die Breite der Engagementlandschaft.
Es ist zu früh, um belastbare Aussagen über die Auswirkungen auf den Bereich der öffentlichen Fördermittel zu treffen. Das Risiko, dass auch hier mit Finanzierungslücken zu rechnen ist, muss aber festgehalten werden. Die Corona-Krise stellt Kommunen und andere öffentliche Geber vor erhebliche finanzielle Herausforderungen. Es wird erwartet, dass die finanziellen Spielräume zwischen starken und schwachen Kommunen weiter auseinander gehen. Erste Städte wie Bamberg oder München haben bereits angekündigt, den Etat für Kultur im nächsten Jahr kürzen zu wollen; weitere werden diesem Beispiel folgen (müssen). Es bleibt zu beobachten, welche Kommunen sich in den kommenden Jahren auf ihre Pflichtaufgaben zurückziehen und welche regional differenzierten Effekte dies auf die zivilgesellschaftlichen Organisationen im Kultur-, Sozial- oder Sportbereich mit sich bringt. In dieser angespannten Lage waren und sind zivilgesellschaftliche Organisationen durch die Corona-Krise mit einem erhöhten Investitionsbedarf konfrontiert. Grundlegende soziale Leistungen, die weiterhin den persönlichen zwischenmenschlichen Kontakt brauchen, brauchen umfangreiche hygienische und strukturelle Präventionsmaßnahmen.
Umbau, neue Raumausstattung und die Versorgung mit Masken, Desinfektionsmitteln, usw. sind in keinem Projektförderbescheid vorgesehen. Rücklagen stehen meist nicht zur Verfügung.
Soziale Angebote wie die Obdachlosen-Kältehilfe entsprechend den gesetzlichen Auflagen arbeitsfähig zu halten und den Gesundheitsschutz von Klient:innen wie Teammitgliedern zu sichern, bedeutet für viele Organisationen eine finanzielle Zerreißprobe. Andernorts bieten zum Glück digitale Werkzeuge und Kanäle tragfähige Alternativen: Videokonferenzen, geteilte Datenhaltung in der Cloud und digitale Interaktionswerkzeuge machen das Zusammenarbeiten auf Distanz ebenso möglich wie die Digitalisierung wesentlicher Projektanteile und Programmangebote. Nur: Der soziale Sektor hatte sich vielerorts noch nicht oder nur zaghaft auf den digitalen Weg gemacht. Die umfassende, kurz vor dem ersten Lockdown abgeschlossene Bestandsaufnahme zum Digitalisierungsstand der deutschen Non-Profit-Landschaft “Digital-Report 2020” konstatiert in diesem Zusammenhang “verschenkte Potentiale”.
Die Corona-Krise bedeutete für die Breite des Sektors eine Digitalisierung im Schleudergang mit großer Veränderungsbelastung unter Zeitdruck. Damit verbunden ist ein hoher Bedarf an Hardware-Investition: um die digitalen Potentiale zu nutzen, braucht es nicht nur digitale Kompetenzen, sondern im allerersten Schritt Ausstattung wie Laptops, Webcams und belastbares Breitband-Internet, die in vielen Organisationen nicht selbstverständlich zur Verfügung standen. Dazu fehlten digitale Systeme, die die virtuelle Zusammenarbeit ermöglichen, die nicht nur eingerichtet werden mussten, sondern auch zusätzliche Kosten bedeuten. Wie groß der Bedarf und die ihm entsprechende Finanzierungslücke hier sind, hat das Förderprogramm der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt im Herbst 2020 deutlich gemacht: In nur sieben Wochen gingen 12.500 Anträge auf Förderung digitaler Ausstattung und digitaler Projektarbeit ein, von denen die Stiftung aus Budgetgründen nur 1.868 bewilligen konnte. “Es gibt einen Riesenbedarf”, so Stiftungsvorstand Jan Holze. Aus den Bordmitteln können ihn soziale Organisationen nicht decken.
Die Gesamtschau auf den Mix zivilgesellschaftlicher Finanzierungskanäle zeichnet ein belastendes Bild: Soziale Organisationen gehen finanziell geschwächt aus den Lockdown-Monaten hervor, mit Lücken im Spenden-Fundraising und im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, zusätzlichem Investitionsdruck und stark eingeschränkten Möglichkeiten, die Hilfsmaßnahmen des staatlichen Rettungsschirms zu nutzen. Sinkende Mitgliedszahlen und erwartbar sinkende öffentliche Förderbudgets gerade auf kommunaler Ebene verlängern die negativen Effekte.
Stellschrauben für eine krisenresilientere zivilgesellschaftliche Finanzierung
Diese angespannte Situation ist zum einen aktueller Handlungsauftrag, zum anderen Gelegenheit, die Stellschrauben für zivilgesellschaftliche Finanzierung so anzupassen, dass unsere Gesellschaft gerade in Krisenzeiten in den wichtigen Funktionen sozialer Organisationen und gesellschaftlichen Engagements Rückhalt findet. Öffentliche und private Fördermittelgeber sind aufgerufen, zivilgesellschaftliche Strukturen zu stabilisieren – dort, wo der Druck am größten ist (wie in der Kultur) und der gesellschaftliche Beitrag am nachhaltigsten gefährdet ist.
Die umfassende Bestandsaufnahme, die das österreichische Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz früh in Auftrag gegeben hat, kann Vorbild sein: Das Forschungsteam hat für den Bericht umfassend die finanziellen und organisatorischen Herausforderungen des sozialen Sektors und des Sozialunternehmertums aufgearbeitet, und in fünf besonders Corona-relevanten gesellschaftlichen Wirkungsfeldern genauer hingesehen. So ließ sich nicht nur nach Organisationsgröße oder -form differenzieren, sondern auch danach, was für die in der Krisenbewältigung zentrale soziale Arbeit z.B. in der Pflege, in der Jugendhilfe oder in der Arbeit für und mit Obdachlosen wichtig war. Entsprechend passgenauer und belastbarer fiel die Gestaltung des österreichischen Rettungsschirms für die Zivilgesellschaft aus.
Durch einen engen Austausch mit den Ziel-Organisationen werden die Investitionsbedarfe sichtbar, die aus der Krisensituation entstehen und gezielte Unterstützung brauchen. Zentral ist in jedem Fall, die Natur des sozialen Sektors ernst zu nehmen: Kein Rettungsschirm, kein Hilfspaket für den sozialen Sektor kann wirken, wenn die Gemeinnützigkeit, die oft geringe Größe der Organisationen, die Ausrichtung an low- oder non-profit-Ergebnissen und die Beschränkungen zur Rücklagenbildung in der Gestaltung der Instrumente außen vor bleiben.
Es ist bezeichnend, dass die Antwort vieler Förderstiftungen auf die Krisensituation war, viele der Regeln, die ihre Projektförderverträge den Projektträgern auferlegen, auszusetzen. Hilfreicher und bedarfsorientierter hätten sich die Unterzeichner des Aufrufs “Stiftungsengagement im Zeichen der Corona-Krise” kaum verhalten können, zumal dieser Schritt schnell gemacht und gegenüber vielen Fördermittelempfängern partnerschaftlich und wertschätzend kommuniziert wurde.
Die zivilgesellschaftlichen Organisationen hatten so die Handlungsfreiheit und finanzielle Sicherheit, innerhalb ihre Projektrahmen auf die Bedarfe ihrer Zielgruppen einzugehen, ihre Angebote kontaktreduzierend anzupassen oder ins Digitale zu übertragen. Hinsichtlich des Rahmens des Gemeinnützigkeitsrechts lässt sich eine ähnliche Flexibilisierungsbewegung beobachten: Im April 2020 hat das Bundesfinanzministerium steuerliche Erleichterungen beschlossen, um Engagement in der Corona-Krise zu erleichtern. Ein ähnliches Vorgehen hatte schon 2015-2016 den Einsatz gemeinnütziger Organisationen für Geflüchtete flexibel ermöglicht.
Beide Schritte bieten die Chance, diese Lockerung der Projektsteuerung als Testraum zu nutzen. Denn in der Krise haben Förderer von den Zielen hergedacht und gehandelt: Die mittelempfangenden Organisationen konnten mehr als sonst auf Basis ihrer Expertise und ihres Kontakts zur Basis entscheiden, wo und wie sie die Mittel einsetzen, um bestmöglich das Förderziel zu erreichen und auf neue Notlagen zu reagieren. Selbstverständlich gibt es auch in diesem Konstrukt Verbindlichkeit und Berichtspflicht. Aber sie orientiert sich stärker an der angestrebten positiven Wirkung denn an einmal eingereichten Plänen, deren Langfristigkeit und Detailliertheit sich oft gegenseitig im Weg stehen. Kann also ein Wandel vom Plancontrolling hin zu einer wirkungsorientierten Steuerung die positiven sozialen Effekte der handelnden Organisationen bestärken? Er wäre die nötige Grundlage, soll die Zivilgesellschaft in Krisen schnell und bedarfsgerecht auf Notlagen und soziale Bedarfe reagieren.
Wirksame Hilfspakete und flexiblere Finanzierungsrahmen stabilisieren die Fähigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen, zur Krisenbewältigung beizutragen und ihre gesellschaftliche Integrationsleistung aufrecht zu erhalten. Auch der Wächterfunktion für unser freiheitliches, demokratisches Zusammenleben und der Fähigkeit, innovative Lösungsansätze zu entwickeln tun sie gut. Hier braucht es aber noch mehr: In der aktuellen Krise hat die Zivilgesellschaft ihre Stärke in der gesellschaftlichen Innovationsentwicklung besonders deutlich gezeigt. Angesichts der Einschränkung zahlreicher Grundrechte im Dienste des Gesundheitsschutzes, der notwendigen öffentlichen Debatte zu den sozialen Nebeneffekten der Corona-Maßnahmen und der kritischen bürgerrechtlichen Begleitung des allgemeinen Digitalisierungsschubs war und ist auch die Wächterfunktion von zentraler Bedeutung.
Erst die qualifizierte zivilgesellschaftliche Begleitung der Corona-Warnapp-Entwicklung durch Akteure wie den Chaos Computer Club haben eine tragfähige technologische Lösung ermöglicht, die dem Gesundheitsschutz dient und gleichzeitig Bürgerrechte wahrt. Doch beide Bereiche zivilgesellschaftlicher Leistung haben es seit jeher schwer mit der Finanzierung. Viele soziale Organisationen stemmen sie als “Nebenleistung”, die – will sie wirksam sein – weit mehr ist als das, und damit an die Kraftreserven der Engagierten geht. Wenn wir diese Funktionen als Teil unseres lebendigen engagierten Zusammenlebens begreifen, braucht Zivilgesellschaft den finanziellen und rechtlichen Rahmen, um sie auszufüllen.
Die Gemeinnützigkeit benötigt einen rechtlich verlässlichen Rahmen für politisches Engagement. Spender:innen und Förderer sind eingeladen, nicht nur etablierte Programmarbeit und Modellprojekte zu finanzieren, sondern mitzuhelfen, eine zivilgesellschaftliche Innovationslandschaft aufzubauen, in der sich Ideen entwickeln, neue Lösungsansätze zusammen mit etablierten Partnern skaliert und systemische Forderungen an Wirtschaft und Politik herangetragen werden können.
Und die Zivilgesellschaft selbst?
Auch wenn interne Klarheit über den eigenen Finanzierungsmix hilfreich ist, um im Krisenfall zu verstehen, wo sich Lücken auftun, so haben gerade kleine und mittlere zivilgesellschaftliche Organisationen häufig nur minimalen Spielraum zur strategischen Gestaltung ihrer Finanzen. Dennoch liegt es auch an den sozialen Akteuren, Bedingungen zu schaffen, um in Krisenzeiten handlungsfähig zu bleiben und als gesellschaftliche Stütze zu wirken. Schlüsselelemente dazu sind die verstärkte Vernetzung und bedarfsorientierte Zusammenarbeit. Das gilt sowohl für das Vertreten der Position und Bedarfe des Sektors gegenüber der Politik wie auch für das Entwickeln von Lösungen angesichts großer neuer Herausforderungen. Wie gut wir zusammenarbeiten, hat auch Einfluss auf die finanzielle und organisatorische Resilienz der Zivilgesellschaft und verdient auch deshalb einen eigenen Apell in diesem Bericht.
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