Jens Gröger arbeitet beim Öko-Institut e.V., einer wissenschaftlichen Einrichtung, die nachhaltige Zukunft erforscht. Untersucht werden Produkte und Prozesse – von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis zur Nutzung und Entsorgung. Im Interview berichtet er vom Ressourcenverbrauch von Hard- und Software.
Wie sieht das Zusammenspiel von Hardware, Software und Nachhaltigkeit aus?
Wenn ich ein Gerät der Informationstechnik nutze, wie einen Laptop, muss ich wissen, dass das Gerät erst einmal hergestellt werden muss. Das heißt: Das Gerät braucht Energie. Und es braucht nicht nur Energie, weil es Strom aus der Steckdose zieht, sondern es braucht auch Energie, weil die Daten, die ich erzeuge, durchs Netz gejagt werden.
Hardware funktioniert natürlich nur dann, wenn darauf eine Software läuft. Wir haben ein Forschungsprojekt durchgeführt, wo wir Software untersucht und festgestellt haben, dass Software sehr relevant dafür ist, wie viele Ressourcen auf dem Gerät gebraucht werden. Also: Wie viele Hardware-Ressourcen, CPU und so weiter, werden benötigt, aber auch, wieviel Energie wird verbraucht. Ein bestimmtes Textverarbeitungsprogramm verbraucht beispielsweise viermal so viel Energie wie ein anderes Programm.
Aber nicht nur der Energieverbrauch ist relevant, sondern auch, wie lange eine Hardware überhaupt genutzt werden kann. Software hat die Tendenz, dass sie immer anspruchsvoller, immer hungriger wird. Und letztlich führt das dazu, dass auf einer bestehenden Hardware, die eigentlich noch super funktioniert, die Software nicht mehr läuft, beziehungsweise die Hardware weggeschmissen und durch eine neue Hardware ersetzt werden muss, damit meine Software endlich wieder läuft.
Was sind die zentralen Anforderungen an ressourceneffiziente Hard- und Software?
Die wesentlichen Ressourcen entstehen bei der Herstellung der Geräte. Das sage ich gerne immer wieder. Das heißt aber, dass die Geräte möglichst lange betrieben werden müssen. Und damit sie lange betrieben werden können, müssen sie zum Beispiel reparierbar sein. Wenn das Display kaputtgeht, muss ich es austauschen können. Batterien müssen bei mobilen Geräten entnehmbar sein.
Es muss auch möglich sein, die Geräte upzudaten, zum Beispiel Sicherheits-Updates aufzuspielen und Software aufzuspielen, die tatsächlich noch genutzt wird. Deswegen ist das softwareseitig auch eine Einflussmöglichkeit: Software muss auch auf älterer Hardware noch laufen. Und ich muss als Nutzer die Möglichkeit haben, mein Telefon sechs Jahre zu nutzen und nicht alle zwei Jahre wegzuschmeißen.
Inwiefern muss sich die Haltung der Tech-Szene im Bereich Nachhaltigkeit verändern?
Was wir immer wieder feststellen, ist, dass eine ökobilanzielle Denkungsweise fehlt. Also ökobilanzielle Denkungsweise bedeutet, wirklich den gesamten Lebenszyklus und den gesamten Wirkungsbereich anzuschauen. Das heißt: Wenn ich eine tolle App entwickele, dann darf ich nicht nur anschauen, dass die flüssig läuft oder möglicherweise, dass die Batterie des Telefons nicht gleich leergesaugt wird. Sondern ich muss auch überlegen: Was verursache ich für Datenströme, was verursache ich für eine Datenhaltung oder eine Datenverarbeitung in Rechenzentren?
Insofern ist uns auch mit Begrifflichkeiten wie „in die Cloud auslagern“ oder „virtuelle Realitäten“ nicht geholfen, weil es nicht „virtuell“ oder irgendwie „wolkig“ ist. Es ist reale Hardware, die dahintersteht. Und die Hardware wird in Steinbrüchen, die Rohstoffe werden unter verheerenden Arbeitsbedingungen gewonnen, zusammengebaut in Fabriken, und nachher landen die Geräte als Elektroschrott irgendwo wild auf der Deponie. Ich habe einen tatsächlichen Umwelt-Impact mit der Hardware.
Wie kann der Bildungsbereich für eine nachhaltige Nutzung von Informationstechnik sensibilisiert werden?
Also ganz grundsätzlich muss natürlich digitale Bildung erst einmal einen Mehrwert generieren gegenüber klassischer Bildung. Wenn ich ein Smartboard statt einer Kreidetafel verwende und genau die gleichen Inhalte darauf zeige, dann hat das keinen Mehrwert, sondern einen Mehrverbrauch, nämlich durch diese ganzen Geräte, die ich dafür brauche.
Suffizienz, oder mich auf die Kernfunktionalitäten zu reduzieren, ist erst einmal ein guter Ansatz. Es ist etwas anderes, wenn ich damit wirklich einen Mehrwert generiere. Dann kann ich wiederum auf die Hardware schauen: dass sie langlebig, dass sie reparierbar ist, dass sie wenig Energie verbraucht.
Auch da ist es wichtig, die Geräte auseinanderzuschrauben und zu kapieren, worum es geht. Konkrete Angebote sind Computer zum Selberbauen, Raspberry Pi oder Calliope, wo ich etwas selber in der Hand habe und verstehe, wie es funktioniert.
D3 <3 Zweitverwertung
Dieses Interview wurde für das E-Book von openTransfer verschriftlicht. Ersterscheinung als Video auf bpb.de unter der Creative Commons Lizenz „CC BY-SA 4.0 – Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International“ veröffentlicht. Autor/-in: Theresa Samuelis für bpb.de