„Hilfe, ich moderiere jetzt online!“ Selbst erfahrene Moderator:innen stehen angesichts der Situation, nun auch im virtuellen Raum Workshops und Konferenzen zu begleiten, vor großen Fragen. Wie wende ich meine offline-Methoden nun online an? Mit welchen Tools arbeite ich? Worauf muss ich bei der Moderation achten? Im ersten Moment ist das wirklich eine Herausforderung. Aber mit etwas Übung, Kreativität und Mut zum Ausprobieren erkennen die meisten schnell, dass sich der Sprung ins kalte Wasser lohnt und sogar Spaß machen kann. Unsere dreiteilige Reihe mit einer Übersicht unserer wichtigsten Erkenntnisse zur Online-Moderation soll dabei helfen.
In diesem Teil wird es ganz praktisch – anhand konkreter Fragen. Diese Fragen haben wir in mehreren Workshops unserer „Coffee & Talk“-Reihe bei Heldenrat gesammelt. Es folgt ein Best-of – nutzt gern die Kommentarfunktion, wenn Ihr Ergänzungen und Fragen habt!
Welche Kommunikationsregeln sind hilfreich?
Natürlich unterscheidet sich die Kommunikation im virtuellen Raum von der im analogen. Aber zunächst zu den Gemeinsamkeiten:
- Kurz, prägnant, von Herzen – so sollten wir miteinander sprechen.
- Konzentriert (und aktiv) zuhören – eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
- Miteinander statt nebeneinander zu sprechen – nur so findet ein echter Dialog statt einer Abfolge von Monologen statt.
- Diese „Regeln“ gelten natürlich auch online und es gilt eine Netiquette. Diese hilft es, zu verschriftlichen um je nach Format vor der Session noch einmal auf sie hinzuweisen oder sie gemeinsam mit der Gruppe zu erarbeiten und zu vereinbaren. Ebenfalls immer hilfreich: Die Bitte, dass man während des Workshops möglichst nichts anderes macht, dass man das Mikrofon nur zum Sprechen einschaltet (falls es Umgebungsgeräusche gibt) und dass man das Video nach Möglichkeit einschaltet.
Trefft vorab Verabredungen, wie sich Teilnehmende zu Wort melden. Das geht zu Beispiel im Chat („Wortmeldung“ oder „!“ wenn es direkt zum Beitrag ist), echtes Handheben in die Kamera (sieht man bei größeren Gruppen aber oft nicht) oder die Meldefunktion im Online-Tool.
Ein etwas online-spezifischer Tipp: Die Teilnehmenden dürfen gern etwas aktiver in der Mimik und Gestik sein. Und sie können auch mal mit den technischen Tools z.B. im Chat oder mit einem Smiley oder der Funktion virtuelles Klatschen einen Beitrag kommentieren. In die Kamera statt auf die Bilder zu schauen erzeugt beim Publikum das Gefühl von Augenkontakt. All das hilft, die Hürden eines Computerbildes aktiv zu überwinden.
Wie lang dürfen die Zeitslots sein?
Mehr und mehr ziehen Online-Meetings in unseren Alltag ein. Wir gewöhnen uns daran und die Meetings werden auch immer besser gestaltet. Daher dürfte sich die Antwort auf diese Frage verändern. Wo man vor ein paar Monaten vielleicht zu maximal einer Stunde geraten hätte, sind heute ganze Online-Konferenzen über mehrere Tage denkbar.
Das heißt aber nicht, dass wir unendlich vor dem Monitor sitzen können. Nach 60 Minuten sollte eine kurze Pause von mindestens 5 Minuten eingelegt werden, am Anfang des Tages sind auch mal 1,5h denkbar. Spätestens nach 2,5 Stunden kombinierter Sessionzeit in Summe empfiehlt sich eine Pause von mindestens 15 Minuten.
Merke: Die Länge der Zeitslots ist auch abhängig vom Inhalt. Je interessanter, abwechslungsreicher, interaktiver, desto länger kann man sich darauf konzentrieren. Das gelingt in einer kleineren Gruppe manchen auch leichter als im großen Plenum.
Und: Natürlich muss man auch die Erfahrung der Teilnehmenden berücksichtigen. Wenig Online-Meeting-Erfahrung bedeutet meistens weniger kombinierte Session-Zeit.
Wie viele Teilnehmende sind sinnvoll?
Das Schöne an der Welt der Online-Veranstaltungen ist, dass sie theoretisch keine Raumgrenzen kennt. Solange es nur um das Senden von Information geht, können theoretisch unendlich viele Menschen zuschauen. Über eine Webinar-Funktion oder gar das Streaming auf anderen Plattformen ist das mittlerweile leicht möglich. Sobald es aber um ein Zusammenwirken der Teilnehmenden geht, ändert sich das aber.
Die Faustregel aus der Offline-Welt gilt auch hier: Je mehr Teilnehmende, desto Arbeitsgruppe.
Barcamps mit über 100 Teilnehmenden sind problemlos möglich, weil die sich über den Tag auf kleinere Gruppen verteilen und es relativ wenig inhaltlichen Austausch unter den Gruppen gibt. Wo konkrete Ergebnisse im Team erarbeitet werden sollen, empfiehlt sich die Pizza-Regel: Soviele Teilnehmende, wie von zwei Pizzen satt werden, gehören in ein Team. Die Sammlung von Informationen, Brainstormings oder auch nur die kurze Information untereinander sind dann auch in größeren Runden möglich. Dran denken: Je nach eigener Erfahrung und Gruppengröße macht die Einbindung einer zweiten Moderation Sinn.
Wie gehe ich mit Störungen um?
Schiefgehen kann immer mal was. Kein Problem. Als Moderator:in sollte man Ruhe bewahren und nicht den Eindruck erwecken, dass man von der Störung aus dem Konzept geworfen wird. Das gilt sowohl für technische als auch kommunikative Störungen. Darum ist es wichtig, dass man sich zwar für einen Moment um die Störung kümmert – diese aber im Zweifel zu einem anderen Zeitpunkt zum Beispiel in der Pause wieder aufgreift.
Viele technische Störungen tauchen nur bei einzelnen Teilnehmer:innen auf („ich kann den Link nicht öffnen“). Da ist es besonders bei größeren Gruppen durchaus erlaubt, das Problem nach kurzer erfolgloser Beschäftigung erstmal stehen zu lassen und später in Ruhe zu lösen – oder die Co-Moderation übernimmt die Problemlösung im Hintergrund. Am Anfang einer Session sollte daher auch nicht zu viel Zeit für das technische Ankommen gegeben werden lieber für Referent:innen und neue/unsichere Teilnehmer:innen vorher einen Technik-Check anbieten.
Bei inhaltlichen Störungen, wenn also der inhaltliche und methodische rote Faden eines Workshops verlassen wird, ist Moderationskompetenz gefragt: Ist die Störung so gravierend, dass man ihr in der Gruppe jetzt Raum einräumen muss? Oder lässt sie sich ebenfalls externalisieren? Online gelten hier dieselben Regeln und Techniken wie offline und Fingerspitzengefühl ist gefragt.
Die Gruppe in die Lösung des Problems einzubeziehen ist oft ein guter Weg. Das Ausschließen von Teilnehmenden – zum Beispiel über das Ausschalten des Mikrofons oder gar Ausschluss aus der Session – dürfte eher eine ungewöhnliche, aber nicht unmögliche ultima ratio bei fortwährender Störung und Missachtung der Netiquette sein. Langredner:innen darf man übrigens auch mal eine gelbe Karte in die Kamera halten…. (Weitere Ideen für solche Meetingkarten gibt es hier.)
Wie moderiere ich eine Online-Diskussion?
Im virtuellen Raum gibt es mitunter die Schwierigkeit, dass Teilnehmende bei Wortmeldungen eher zurückhaltend sind. Kein Wunder – der Bildschirm stellt eine natürliche Hürde dar, man hat keine Möglichkeit zu Augenkontakt mit den anderen, das Mikro muss erst eingeschaltet werden und so weiter.
Der Moderation kommt daher gerade im digitalen eine besondere, aktivierende Funktion zu. Es kann also durchaus sein, dass man häufiger konkrete Fragen stellt oder auch schriftliche Beiträge vorlesen, kommentieren und zur Diskussion stellen muss. Um zu vermeiden, dass sich Teilnehmende abgehängt fühlen, sollte man als Moderator:in dafür sorgen, dass jede:r etwas sagt und gehört wird. Das schließt aktives Fragen mit ein.
Schweigen in der Runde kann auch mal dadurch unterbrochen werden, indem man einen oder eine (vielleicht besonders schweigsame:n) Teilnehmer:in direkt anspricht – zu einer zuvor gestellten Frage oder dem Beitrag einer einer/eines anderen Teilnehmenden zum Beispiel. Wortmeldungen sind auf verschiedene Arten möglich. Daher sollte man sich vorher darauf verständigen, wie das passieren soll.
Nicht vergessen: Wo wir offline eine Diskussion visualisieren würden, sollten wir das auch online tun. Denn auch dort spielt Visualisierung eine wichtige Rolle in der Strukturierung und Steuerung einer Diskussion. Ein paar dazu geeignete Tools gibt es im nächsten Absatz.
Wie binde ich externe Tools ein?
Wo auf externe Tools zugegriffen wird wie z.B. Mentimeter, Padlet, Mural oder Jamboard, hilft ein vorher vorbereites Dokument mit allen benötigten Links. Das gilt übrigens auch für Links zu externen Inhalten, die man einbinden will – das Katzenvideo auf Twitter oder der Erklärfilm auf Youtube. Bei Bedarf werden die Links dann in den Chat hineinkopiert.
Dieses Instrument ist besonders hilfreich bei geteilter Moderation und technischem Co-Hosting. Der Rolle des Bildschirm-Teilens kommt dabei besondere Bedeutung zu. Abfrageergebnisse werden den Teilnehmenden zum Beispiel oft nicht direkt angezeigt, sondern müssen erst über den geteilten Bildschirm der Moderation eingeblendet werden. Deshalb ist bei Verwendung solcher Tools immer ein (vorheriger) Abgleich zwischen dem, was die Moderation sieht und dem, was die Teilnehmenden sehen sollen, wichtig.
Ein gern gemachter Fehler: Man hat sich selbst für ein Tool registriert, teilt den Link zur Mitarbeit an andere und die können mangels eigener Registrierung nicht oder nur teilweise mitmachen. Daher unbedingt vorher testen, wie das Tool auch ohne Registrierung zu bedienen ist! Auf die Sache mit dem sparsamen Umgang mit Tools und dem zweiten Monitor zum Zweck des Überblicks für eine souveräne Moderation haben wir ja schon im ersten Teil hingewiesen.
Wie nutze ich den Chat?
Als Moderator:in nutzt man den Chat oft, um Links oder Dokumente an die Teilnehmenden zu verschicken. Auch zur Kommunikation mit dem Co-Host eignet er sich gut (wenn man die eigentlich private Nachricht nicht an die ganze Gruppe schickt…) Er kann aber auch bei Diskussionen eine wichtige Rolle spielen: Nicht selten ergeben sich dort nochmal zusätzliche Beiträge und Diskussionsstränge bis hin zu inhaltlichen Nebengleisen.
Als Moderator:in sollte man sich darüber klar werden, ob man dieses parallele Instrument aktiv nutzen will oder der Chat nur als Möglichkeit zur Wortmeldung dienen soll.
Das hängt im Wesentlichen von der eigenen Erfahrung und Gelassenheit im Umgang mit mehreren Kommunikationskanälen ab. Wo der Chat als Instrument der Wortmeldung genutzt wird, ergibt sich dort ganz von selbst eine Redner*innenliste – praktisch für die Moderation und die Teilnehmenden! Auf diese Weise wird auch niemand übersehen. Das Instrument lässt sich auch bei Vorstellungsrunden gut einsetzen: Einfach alle Teilnehmenden ihre Namen in den Chat schreiben lassen und diese dann in dieser Reihenfolge zur Kurzvorstellung einladen.
Wie gestalte ich Workshops lebendig (und halte die Teilnehmenden motiviert)?
Die am häufigsten gestellte Frage. Und die Antwort darauf ist so vielschichtig, dass wir sie in einem eigenen Beitrag bearbeiten. Schaut also vorbei beim dritten Teil unserer Serie!
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Die Autor:innen
Dr. Hilke Posor findet ihre Erfüllung, wenn Teams über sich hinauswachsen. Dieser Leidenschaft geht sie als geschäftsführende Gesellschafterin der Heldenrat GmbH nach, einem Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt auf nachhaltigem Wirtschaften und sektorübergreifenden Kompetenztransfer. Sie ist Mitgründerin von Heldenrat – Beratung für soziale Bewegungen e.V.. und begleitet dort seit 2004 sozialen Initiativen.
Dr. Thomas Leppert diskutiert gern leidenschaftlich über Folgen der Digitalisierung. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Heldenrat GmbH, einem Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt auf nachhaltigem Wirtschaften und sektorübergreifenden Kompetenztransfer. Er ist Mitgründer von Heldenrat – Beratung für soziale Bewegungen e.V. und begleitet dort seit 2004 soziale Initiativen.