In meinem Berufsalltag bei der Jugendpresse Deutschland e.V. erlebe ich häufig, dass die Schüler:innenzeitung das Erste ist, was in Schulen eingestrichen wird, wenn Dinge nicht rund laufen. Typische Gründe dafür sind nicht ausreichende Geldmittel für die Druckkosten oder dass Lehrkräften die Zeit fehlt, um das Medium zu betreuen. Aktuell ist der Hauptgrund für das Verschwinden oder Pausieren vieler Schüler:innenzeitungen jedoch die Corona-Pandemie. Homeschooling, Wechsel- und Distanzunterricht erschweren das gemeinsame Mediengestalten. Dabei bietet die Krise auch eine Chance: Schulen durch Schüler:innenmedien digitaler zu machen.
Empowern, Fördern, Vertrauen
Schüler:innenmedien bieten einen inklusiven und niederschwelligen Einstieg in die Medienwelt und ins (politische) Engagement. Sie sind ein Paradebeispiel für Mitbestimmung, weil sie Eigenständigkeit, Meinungsbildung und –artikulation lehren. Hier können sich junge Menschen ausprobieren, sich entspannt und weitestgehend ohne Druck dem Journalismus und dem „Medienmachen“ nähern. Sie können ihre Stimme erheben und Themen ansprechen, die sie interessieren und beschäftigen.
Schüler:innen wollen sich politisch engagieren und mitreden, wenn es um ihre Zukunft geht: Bei der Bewegung Fridays for Future können wir live miterleben, wie viel Energie und Verantwortungsbewusstsein in Kindern und Jugendlichen steckt. Ihr Artikulations- und Mitrederadius wird immer größer und das ist auch gut so. Daher ist auch eine Meinungswerkstatt wie die Schüler:innenzeitung so wichtig, um junge Meinungen sichtbar zu machen.
Gerade in einer Situation, in der wir als Gesellschaft in allen Bereichen auf die Probe gestellt werden, sollten wir Schüler:innenmedien fördern und junge Menschen empowern, sich darin zu engagieren. Schulkultur profitiert davon, wenn sich Schüler:innen mit ihren Meinungen und Gedanken zu Wort melden. In einer funktionierenden Schulkultur übernehmen Schüler:innen Verantwortung als Teil einer partizipativ gestalteten Lernrealität, in der sie tatsächlich für das Leben lernen. Hier herrscht gegenseitiges Vertrauen und Platz zum Entfalten eigener Ideen. Man kann durchaus darauf vertrauen, dass viele Jugendliche Lust haben, ihre Zeit für einen Blogartikel, eine kritische Instagramstory oder das Layout eines Schülerzeitungsartikels zu investieren.
Es geht auch digital
Einige Schüler:innenmedien haben es geschafft, sich digital zu organisieren und so auch in der Pandemie präsent zu bleiben. So zum Beispiel die Grundschulzeitung Der kleine Rüssel der Reinhardswald-Grundschule in Berlin-Kreuzberg: Sie hat ihre Redaktionssitzungen online abgehalten und auch ihre Ausgabe, anders als sonst, digital herausgegeben. Im September 2020 haben sie den 1. Preis des Berliner Schüler:innenzeitungswettbewerbs in der Kategorie „Grundschule“ abgeräumt. Ein anderer Preisträger des Wettbewerbs ist das Anna-Freud-Oberstufenzentrum in Berlin mit der Zeitung Anna-Freud-Culture, die schon seit ihrer Gründung online publiziert.
Die Pandemie macht digitale Kollaboration für alle Schüler:innenzeitungen unabdingbar. Hier kommen die unterschiedlichsten Tools zum Einsatz: Projektmanagement mit Trello, gemeinsame Textarbeit in der Open Source-Lösung Etherpad oder auch Padlet, mit dem man Redaktionssitzungen interaktiv gestalten und organisieren kann. Es geht also auch digital…
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Viele dieser Tools haben wir uns in Plötzlich digital. Die Sprechstunde genauer angeschaut. Alle bisherigen Ausgaben gibt es auch zum Nachschauen:
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…oder crossmedial.
Denn die Kür der Arbeit mit digitalen Medien ist es, wenn man verschiedene Medienkanäle in einer Redaktion verbindet, also z.B. für Social Media, einen Blog oder Vlog produziert.
Wer crossmedial arbeitet, kann mehr Menschen und Mitschüler:innen erreichen und gleichzeitig unterschiedliche Techniken und Arten von Journalismus kennenlernen. Da die meisten jungen Menschen sich viel in sozialen Netzwerken und auf Streaming-Plattformen bewegen, können sich Lehrkräfte gerade in Sachen Bedienkompetenz viel von den „Digital Natives“ abschauen, die mit neuen Medien aufgewachsen sind und sie intuitiv bedienen. Es ist Zeit, diese Medienkompetenz zu fördern und die Fertigkeiten in Schüler:innenzeitungen fruchtbar zu machen.
Jetzt loslegen! Angebote und Möglichkeiten
Für Lehrkräfte wie für Schüler:innen gibt es Angebote und Möglichkeiten zur Unterstützung rund um Schüler:innenmedien. Ob sich die Redaktion digital aufstellen, Input zu journalistischen Darstellungsformen bekommen möchte oder eine komplette Neugründung ansteht: Tipps holen lohnt sich immer.
Für Redaktionen jeder Klassenstufe und Schultyps gibt es z.B. die Möglichkeit, sich Hilfe bei der Mobilen Medienakademie zu holen. Sie bietet gezielt Workshops an, die Schüler:innenzeitungen bei ihren jeweiligen Bedürfnissen unterstützen. Workshops zu Themen wie z.B. “Finanzierung des Mediums”, “Redaktionsorganisation”, “Themenfindung”, “Layout und Bildsprache” gehören ins Portfolio. . Schüler:innenzeitungen, die Mitglied bei der Jugendpresse Deutschland e.V. sind, können darüber hinaus auch rechtliche Beratung erhalten. Außerdem bieten die Kultusministerien der Länder unterschiedliche Weiterbildungsprogramme für Lehrkräfte an. Betreuungspersonen von digitalen Schülerzeitungen finden bei den Digitalen Helden ebenfalls fundierte Workshops.
Tipps für Schüler:innenmedien, die digitaler werden wollen
- Gebt digitaler Kollaboration eine Chance! Klar, wir alle sitzen in dieser Pandemie viel vor dem PC und haben ohnehin schon viel virtuelle Meetings. Aber gebt euch einen Ruck und probiert die virtuelle Redaktionssitzung zumindest aus – digitale Redaktionsarbeit funktioniert!
- Bereitet euch bzw. eure Redaktion gut auf Treffen vor! – Ihr seid Chefredakteur:in und wollt die nächste Ausgabe anstoßen? Oder ihr wollt als Redakteur:innen eure Artikelidee vorstellen? Seid strukturiert und holt eure Zuhörer:innen ab, indem ihr z.B. am Anfang eure Argumente mit einer Gliederung vorstellt.
- Teilt die Aufgaben klar auf! – Je klarer für alle ist, was sie zu tun haben, desto besser. Nutzt Projektmanagement-Tools, in denen ihr Aufgaben erstellen und sie Personen zuteilen könnt.
- Stichwort “crossmedial” – Versucht doch mal (wenn ihr die Kapazitäten dazu habt) mehrere Kanäle mit eurem Content, euren Artikeln und Themen zu bespielen. Ihr bekommt dadurch nicht nur mehr Leser:innen, sondern könnt auch die Aufgaben der Redaktionsmitglieder ganz nach individuellen Stärken und Interessen verteilen. Wichtig dabei ist, dass die Verantwortlichen sich untereinander absprechen und austauschen. So könnt ihr eure Themen auf unterschiedlichen Medien teilen.
- Digitale Unterstützung! – Holt euch Expertise z.B. von Eltern, Lehrkräften oder von der Jugendpresse, wenn ihr ein neues Medium z.B. einen Blog oder eine eigene Website aufbauen möchtet.
- Es geht auch kostenfrei! – Es gibt für fast alle Funktionen kostenfreie Alternativen oder simplifizierte Versionen von Programmen, z.B. Canva für´s Layout.
- Trefft euch zur digitalen “Schreibstunde”! – Hier könnt ihr regelmäßig gemeinsam Content produzieren. So ist niemand alleine, alle können Fragen stellen und sich direkt Feedback holen.
Schule und Bildung muss digitaler werden
Die Corona-Pandemie hat die analoge Redaktionsarbeit von Schüler:innenmedien so gut wie unmöglich gemacht. Konzepte, Unterstützungsangebote und Ideen für digitale Lösungen sind vorhanden. Nun gilt es, diese auch zu nutzen. Denn eines ist klar: Schule und Bildung muss digitaler werden. Schüler:innenmedien können dabei eine Vorreiterrolle einnehmen. Sie sind Lernorte für die digitale Bildungszukunft und wichtige Demokratiemotoren. Daher ist es nie zu spät ein Schüler:innenmedium zu gründen.
Beitragsbild: Jugendpresse/Maximilian Csali
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