In der Serie Digitalstrategien haben wir bislang beleuchtet, was hinter diesem komplexen Thema steckt und wie das Programm Die Verantwortlichen #Digital Organisationen wie den Bundesmusikverband Chor und Orchester oder den Kreisjugendring Oberhavel unterstützt. Im dritten Teil der Serie wechseln wir die Perspektive und haben gefragt, wie die Unterstützer der Akademie für Ehrenamtlichkeit selbst an das Thema Digitalstrategien herangehen.
Warum habt ihr begonnen, eine Digitalstrategie für die Akademie für Ehrenamtlichkeit zu entwickeln?
Nikolaus Sigrist: Früher waren bei uns Strategie und Digitales zwei Säulen, die noch nicht miteinander verknüpft waren. Vor gut zweieinhalb Jahren haben wir im Rahmen eines Projektes Microsoft Teams eingeführt, um ortsunabhängig gemeinsam auf Daten zugreifen zu können. Das war schon eine große Erleichterung. Über die Nutzung haben wir dann gemerkt, dass noch viel mehr möglich ist. Dass wir damit zum Beispiel als Team gut arbeiten, E-Mails reduzieren, Wissen teilen oder externe Partner einbinden können. Das hat unsere Arbeit besser gemacht und so wurde Teams allmählich zum strategischen Werkzeug.
Wir haben uns stärker gefragt: Wie passt Digitalisierung zu unserer Gesamtstrategie? Wie kann sie uns helfen, unsere Organisationsziele zu erreichen? Zum Beispiel unser Ziel, unseren Kunden innovative Ansätze zu bieten oder unsere Kompetenzen entlang des Kundenbedarfs einzusetzen und weiterzuentwickeln.
Susanne Saliger: Wir haben über digitale Methoden und Formate nachgedacht, aber auch darüber, wie sich das Ehrenamt verändert und welche Rolle Digitalisierung hier spielt. Diese Fragen berühren ganz konkret unsere Angebote. Dann wurden wir Träger des Projektes Die Verantwortlichen #Digital. Wir, aber auch die Förderer haben die Notwendigkeit gesehen, unsere eigene Strategieentwicklung weiter voranzutreiben. Als BearingPoint als Berater dazu kam, waren wir schon eine Weile mit dem Thema beschäftigt.
Wiebke, du arbeitest für das Beratungsunternehmen BearingPoint. Ihr unterstützt die Akademie für Ehrenamtlichkeit bei der Digitalstrategie. Wie kam die Pro bono-Kooperation zustande?
Wiebke Rasmussen: 2019 wurde ich auf die Akademie für Ehrenamtlichkeit und das Projekt Die Verantwortlichen #Digital aufmerksam. Wir waren gerade dabei, unsere Pro bono-Aktivitäten größer aufzustellen. Wir engagieren uns gesellschaftlich, indem wir unsere Expertise da einbringen, wo sie Wirkung entfalten kann. Mit unserem Programm „We enable helpers“ richten wir uns daher explizit an Non-Profit-Organisationen und Social Start-Ups. Diese möchten wir unterstützen, durch Digitalisierung noch besser ihrem Auftrag gerecht zu werden. Darüber bin ich mit Susanne ins Gespräch gekommen und bei einem unserer Workshops zum Thema Digitalstrategie für Non-Profits haben wir uns auch über den Bedarf der Akademie unterhalten. Im Januar 2020 sind wir in den partizipativen Beratungsprozess eingestiegen.
Ihr arbeitet mit dem Digital Maturity Assessment. Was steckt dahinter und inwiefern macht das Ergebnis eine Organisation schlauer?
Wiebke Rasmussen: Grundlage unseres Digital Maturity Assessment ist ein zielgruppenspezifischer Fragebogen, mit dem wir den digitalen Ist- und Sollzustand ermitteln. In der Interviewphase finden wir zum Beispiel heraus, wo die unterschiedlichen Teams und die Organisation in Sachen Digitalisierung stehen, wer was nutzt und wo es gemeinsame Bedarfe gibt.
Wir werten dann die Interviews aus, führen die Erkenntnisse zusammen und visualisieren sie. In einem Workshop schauen wir uns die Ergebnisse gemeinsam mit den Beteiligten aus der Organisation an. Dadurch werden die unterschiedlichen Perspektiven auf die Potenziale der Digitalisierung sichtbar. Dieses Wissen ist zum Beispiel für die Aushandlung der Prioritäten oder die Wahl gemeinsamer Tools wichtig.
Das Thema Digitalstrategie betrifft Non-Profit-Organisationen wie Unternehmen. Gibt es Vorteile, die der dritte Sektor gegenüber Unternehmen hat?
Wiebke Rasmussen: Ich möchte als These formulieren, dass Non-Profit-Organisationen für digitale Vorhaben und die damit einhergehenden Veränderungsprozesse eigentlich besser gewappnet sein müssten. Sie sind eher bereit, Wissen, Ideen und Erfahrungen zu teilen – in ihrer eigenen Organisation, aber auch innerhalb des Sektors. Und sie arbeiten an vielen Stellen bereits nach agilen Prinzipien: flexibel agierend, kooperativ und – am Ziel ausgerichtet.
Sie haben von je her den Anspruch, mit ihrem Angebot die größtmögliche Wirkung bei den Zielgruppen zu erzielen. Die eigene Arbeit dahingehend zu reflektieren, zu verbessern und zu lernen fällt ihnen deshalb vielleicht leichter.
Inwiefern hat euch das Programm von BearingPoint bei der Strategieentwicklung der Akademie für Ehrenamtlichkeit unterstützt?
Nikolaus Sigrist: BearingPoint hat die richtigen Fragen gestellt. Dadurch wurden wir noch einmal ganz neu zum Nachdenken gebracht. Da wurden große Fragen aufgeworfen, die auch unsere Prozesse, unsere Angebote, unsere Organisationsstruktur betreffen.
Susanne Saliger: Wir sind recht bald über die Analyse, die das Digital Maturity Assessment bietet, hinausgegangen und haben begonnen, uns mit unseren Zielen zu beschäftigen. BearingPoint hat sich auf unseren Bedarf eingestellt und uns dabei unterstützt zu klären, wo wir hin wollen, was wir dafür brauchen und wie uns Digitalisierung dabei helfen kann. Die Beratung hat einen Raum für Austausch geöffnet und war sehr fruchtbar.
Nikolaus Sigrist: Für eine Organisation, die 25 Jahre alt ist, waren das aufregende Fragen, denen wir gewissenhaft nachgehen wollten und noch wollen. Durch Corona mussten wir dann aber sehr schnell auf die operative Ebene wechseln. Plötzlich ging es direkt darum, wie wir unser Geschäftsmodell digitalisieren können. Wie kriegen wir unsere Formate digitalisiert, so, dass sie für uns umsetzbar sind und für unsere Kunden einen Mehrwert haben.
Susanne Saliger: Das war ein konzeptioneller Umformatierungsprozess. Die Bedarfe, über die wir eben noch perspektivisch gesprochen haben, waren plötzlich da.
Wie hat dieser beschleunigte Digitalisierungsprozess die Akademie für Ehrenamtlichkeit verändert?
Nikolaus Sigrist: Es war früher sehr üblich, dass wir uns regelmäßig sehen. In den letzten Monaten haben wir Wege gefunden, anders verbindlich zusammenzuarbeiten. Es hat ab und zu ein bisschen geknirscht, es hat an manchen Stellen Enttäuschungen, aber auch unerwartete Glücksmomente produziert. Von einer sehr Face-to-Face basierten Organisation sind wir zu einer gut funktionierenden, nicht nur Sachfragen klärenden, sondern auch Zwischenmenschliches wertschätzenden Organisation, die sehr viel auf digitalen Kanälen kommuniziert, geworden.
Wir sind mutiger geworden. Vieles, von Seminaren bis Netzwerktreffen, geht doch online. Diese Zeit hat manche falschen Prophet:innen entlarvt. Es hat sich gezeigt, niemand hat Erfahrung. Man muss den Mut haben, Dinge auszuprobieren und selbst zu Erkenntnissen zu kommen.
Mit den digitalen Formaten haben wir zudem Menschen erreicht, die sonst nicht an einem Workshop hätten teilnehmen können, weil sie ein Kind haben oder aufgrund der Reisekosten. In Zukunft werden wir mehr Mischformate anbieten.
Beeinflusst euer eigener Digitalstrategie-Prozess das Projekt Die Verantwortlichen #Digital?
Susanne Saliger: Wir haben ähnliche Themen und machen ähnliche Erfahrungen wie die Verantwortlichen im Projekt. Das Projekt lebt von einer Haltung des voneinander Lernens. Was wir durch unseren eigenen Prozess erkannt haben ist, wie wichtig ein Rahmenprogramm über die Förderphase hinaus ist.
Nikolaus Sigrist: Eine Digitalstrategie fängt nicht an einem Punkt an und hört an einem anderen auf. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, in dem immer wieder neues ans Licht kommt. Auch weil sich die Technologie weiterentwickelt. Es gibt kein klares Ende, zumindest sehe ich das für uns nicht.
Susanne Saliger: Dass es auch nach dem Projekt weitergehen muss mit einer Unterstützung für die Umsetzung der Strategie, für Hardware und Software, Weiterbildungen, dafür machen wir gerade Lobbyarbeit. Digitalisierung ist nichts, was man nur einmal fördern kann.
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