Was wäre, wenn ich euch sagen würde, dass es dort draußen eine völlig kostenlose Ressource gibt, die euch bei vielen Dingen unterstützen kann? Quellen für Finanzierungsanträge, Daten und Belege für Sachberichte oder einfach Fakten, mit denen man die lokale Politik in die Verantwortung nehmen kann?
Diese Ressource gibt es: Offene Daten oder auch “Open Data” genannt.
Open Data – mehr als nur ein “Buzzword”
In Großbritannien habe ich mit meiner Organisation New Union versucht, Wege zu finden, wie mehr Organisationen des dritten Sektors und aus Gemeinden und Kommunen dazu gebracht werden können, offene Daten für den sozialen Wandel zu nutzen. Diese Reise hat mich nun nach Deutschland geführt, wo ich mit der Bertelsmann Stiftung zusammengearbeitet habe. Gemeinsam haben wir uns Instrumente ausgedacht, die dies verbessern können.
Wie bei allen Digitalisierungthemen kann man viele Begrifflichkeiten schnell als “Buzzword” abtun (und das zu Recht, wer erinnert sich noch an den unsinnigen Begriff der Smart Cities?). Spätestens dann, wenn man eine Gruppe Anzugträger mit Ohrstöpseln auf Panels sitzen sieht, die in völlig unverständlicher Sprache über die vermeintlich “hohen Themen” diskutieren, sind viele Engagierte raus aus der Nummer. Das ist jedoch ein Thema, auf das wir später noch einmal zu sprechen kommen. Klären wir erst einmal, was offene Daten eigentlich sind.
Denn zunächst ist alles ganz einfach: Wie sehen offene Daten aus, fragt ihr euch? Nun, es ist eigentlich nicht so technisch. Wenn man es sich ansieht, kommen offene Daten in Form von digitalen Dokumentationen wie PDFs, Excel-Tabellen und Textblättern wie HTML vor (zugegeben, das ist nun doch schon etwas technischer!). Und das war’s. Doch nicht so kompliziert, was?
Open Data finden, auswerten und nutzen
Persönlich würde ich mich im Hinblick auf meine Aktivitäten in den letzten Jahren als Aktivist für offene Daten bezeichnen. Das heißt, mein Hauptinteresse besteht in der Verwendung bestehender offener Daten. Wie kann man diese so einsetzen, dass sie das Leben der Menschen tatsächlich verbessern? Das kann dann in der Praxis zum Beispiel so aussehen, dass wir Hackathons durchführen, mit denen wir zu schnellen Prototypenlösungen für Gemeinschaftsprobleme kommen, dass wir die Menschen in Workshops lehren, offene Daten zu verwenden, um Entscheidungsträger:innen (auch aus der Politik!) in die Verantwortung zu nehmen. Und dass wir sicherstellen, dass gemeinnützige Einrichtungen über die Instrumente und das Können verfügen, um offene Daten zur Verbesserung der Kapazität ihrer Organisation zu nutzen.
Nun, in der Vergangenheit wurde Open Data hauptsächlich für den Profit verwendet. Unternehmen sammeln und verschlingen Daten förmlich, um Projekte und Anwendungen zu erstellen und für ihre Kund:innen zu optimieren. Und das ist in Ordnung, da es sich um eine legitime Verwendung offener Daten handelt. Der Trick liegt jedoch darin, auch Nicht-Regierungsorganisationen darüber zu informieren, dass diese Chancen auch für sie gelten!
Aber was können Organisationen des dritten Sektors tun, um das Potential von “Open Data” für sich freizusetzen?
In einer perfekten Welt würden wir sehen, wie Gemeinden, Kommunen und der dritte Sektor ihre lokalen Institutionen anflehen, Daten zu veröffentlichen. Diese Daten könnten sie dann nutzen, um spezifische Probleme zu lösen, die für sie relevant sind.
Einer der Hauptgründe, warum meiner Meinung nach offene Daten nicht von Drittanbietern und Freiwilligenorganisationen verwendet werden, ist die Sprache, mit der man über “Open Data” spricht. Und die Art der Personen, die darüber sprechen. Es ist kein Wunder, dass einige Leute abgeschreckt sind, wenn der Diskurs rein technokratisch, unnötig kompliziert und dadurch unnahbar wirkt.
Aber lasst euch davon nicht abschrecken: Kratzt man etwas an der Oberflächte, stellt man schnell fest, dass Open Data die fantastische Arbeit des dritten Sektors und der Engagierten wirklich unterstützen kann.
Wo kommen offene Daten zum Einsatz?
Warum solltet ihr euch sich für offene Daten interessieren? Nun, vielleicht ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um euch ein paar Ideen zu zeigen, was man damit tatsächlich machen kann.
Beispiel 1: Finanzierungsanträge
Die meisten Organisationen des dritten Sektors sind auf Drittmittel angewiesen und füllen ständig neue Anträge auf Gewährung von Zuschüssen und Neuausschreibungen aus. Offene Daten sind eine gute Quelle, um das Problem, das ihr lösen möchtet, zu belegen und ihm damit auch für potentiellen Fördernden Legitimität zu verleihen.
Auch hier zur Veranschaulichung ein paar Beispiele: Als kommunale Sicherheitsorganisation könnten sie offene Daten der Polizei beispielsweise dazu nutzen, um Kriminalitäts-Hotspots zu quantifizieren und diese als Grundlage für einen Finanzierungsantrag verwenden. Wenn ihr für ein Umweltprojekt arbeiten, könnt ihr lokale Wasserdatenbanken verwenden und davon Vorschläge ableiten, wie euer Projekt zur Wassereinsparung beitragen könnten – die Möglichkeiten sind endlos.
Aber ja, all diese Beispiele hängen davon ab, ob es einen freigegebenen Datensatz zu diesen Themen gibt, der die Lage in ihrer Region beschreibt. Ein Tipp von mir: Auf nationaler Ebene gibt es bereits viele dieser Daten. Recherchiert sie und versucht, diese auf eure Region anzuwenden. Oder ihr startet den Versuch, einfach eine lokale Behörde fragen, ob sie diese Daten zur Verfügung stellen kann.
Beispiel 2: Recherche und Forschung
So wie ihr nach Nachweisen für eine Förderbekanntmachung suchen, könnt ihr offene Daten auch als Grundlage für Berichte, strategische Dokumentationen und sogar Blogs verwenden. Mit offenen Daten habt ihr die Möglichkeit, euer Handeln zu belegen und zu zeigen, welche Wichtigkeit euer Anliegen hat. Übrigens: Zahlen und Daten funktionieren auch in der Pressearbeit.
Beispiel 3: Soziales Engagement verbessern
Offene Daten sind auch eine großartige Quelle, um eine Momentaufnahme der sozialen Themen in Ihrer Nähe zu machen und spannende neue Projekte zu entwickeln. Um das einmal selbst ganz praktisch auszuprobieren, könntet ihr einmal die App Mundraub nutzen, um Kindern in Bielefeld beizubringen, dass Lebensmittel auch auf bzw. an der Straße wachsen können. Oder vielleicht habt ihr es satt, in Dresden nach einem Parkplatz zu suchen – hier kann dir die App ParkenDD weitere infos liefern, die ihr zum Beispiel in einem Blogbeitrag oder einem Brief an die Stadt verwenden könnt.
Beispiel 4: Aus offenen Daten entstehen digitale Produkte
Wenn ihr über das nötige technisches Wissen verfügt, könnt ihr offene Daten als Grundlage verwenden, um eigene Apps oder Programme zu entwickeln. Doch auch, wenn ihr technisch nicht stark versiert seid, solltet ihr eure Ideen nicht in der Schublade verstauben lassen. Sucht vielleicht Kontakt zu einer Universität in eurer Nähe. Vielleicht haben Student:innen Lust, an einem „Hack“ rund um Ihr soziales Thema zu organisieren. Oder ihr ladet Organisationen aus der Region zu euch ein. Sucht den Kontakt und schaut einfach, welche Möglichkeiten sich hier ergeben.
Open Data – auch eine Frage des Mindsets
Manchmal wirken gewisse Aspekte von Open Data zu kompliziert, zu wissenschaftlich oder einfach zu aufwendig. Schnell fühlt man sich abgeschreckt und kommt zu dem Schluss: “Das ist nichts für uns!”. Ich sehe das so: Nichts ist zu kompliziert, wenn man es einfach denkt und macht! Es gibt viele Organisationen, die eigentlich simple Ideen wie offene Daten in diesem “sagenumwobenen” Licht darstellen wollen. Wenn ihr jemanden trefft, der das Themenfeld so darstellt, lasst euch nicht beirren und macht einfach weiter.
Es geht darum, diese Denke herauszufordern und immer wieder zu hinterfragen. Wahre Veränderung entsteht nicht dann, wenn man vorgegebene Muster wiederholt. Und wenn offene Daten wirklich im dritten Sektor Einzug halten sollen und dort ihr Potential entfalten sollen, müssen die richtigen Leute anfangen, die Narrative zu ändern. Und wenn ihr bis hierhin noch nicht erraten habt, wer damit gemeint ist: Das seid ihr!
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