„Die Einstellung ist zentral“. Wissenschaftliche Erkenntnisse zu Digitalstrategien

Die erste Runde des Programms „Die Verantwortlichen #Digital“ wurde von ZiviZ im Stifterverband wissenschaftlich begleitet. Mit einem Bündel an qualitativen Methoden wie Tagebüchern, Gruppendiskussionen und Einzelgesprächen hat Magdalena Bork nach Erkenntnissen geforscht, die kleinen und mittleren Organisationen helfen, die Digitalisierung zu meistern.

Die Berater von Die Verantwortlichen #Digital beraten sich, zu sehen sind Peter Kusterer, IBM und Magdalena Bork, ZiviZ

In unserer Serie zu Digitalstrategien lassen wir diejenigen zu Wort kommen, die ganz nah dran sind am Thema. Als Coaches und Berater:innen für Organisationen oder als diejenigen, die sich auf den Weg gemacht haben, eine eigene Digitalstrategie zu erarbeiten. Gestartet haben wir die Serie mit Stimmen von Mitarbeitenden sowie teilnehmenden Organisationen von „Die Verantwortlichen #Digital“. Zum Abschluss der ersten Runde des Programms möchten wir daher mehr über die Erkenntnisse aus Sicht der wissenschaftlichen Begleitforschung erfahren.

Magdalena, du hast als Projektmanagerin bei ZiviZ das Programm „Die Verantwortlichen #Digital“ in den letzten 12 Monaten federführend wissenschaftlich begleitet. Gibt es etwas, das dich überrascht hat?

Magdalena Bork: Es heißt immer, Digitalisierung sei mehr als Technik. Obwohl ich mich auch schon vorab viel mit dem Thema beschäftigt habe, ist mir erst im Laufe des letzten Jahres bewusst geworden, was das genau heißt. Es geht viel um Offenheit für Veränderung. Wie wichtig das Mindset ist und die Haltung, die eine Organisation Digitalisierung gegenüber einnimmt, hatte ich etwas unterschätzt. Das ich das Thema anfangs nicht so sehr auf der Agenda hatte, sagt aber vielleicht mehr über mich als über die teilnehmenden Organisationen.

Wie kann das richtige Mindset Organisationen bei ihrer digitalen Transformation helfen?

Magdalena Bork: Digitalisierung selbst ist ein Prozess und er verändert Lebenswelten. Organisationen kommen um die Frage nicht herum: Was machen die Veränderungen mit uns, dem Feld, unseren Zielgruppen? Neugier, Mut, Veränderungsbereitschaft helfen, neu zu denken, was eine Organisation tut und wie. Die Einstellung ist zentral. Wenn diese
Offenheit fehlt, stößt man im Digitalisierungsprozess schnell auf Grenzen. Digitalisierung ist kein abgeschlossener Prozess und es geht nicht darum, an ein oder zwei Stellschrauben zu drehen. Non-Profits, die das nicht verstehen, laufen Gefahr, irgendwann wieder abgehängt zu sein.

Natürlich ist es mit knappen Ressourcen schwieriger, Digitalisierung voranzutreiben. Aber: „Wir haben kein Geld, also keine Möglichkeiten“ – diese Rechnung würde ich so nicht unterschreiben. Ein neues Mindset, diese digitale Organisationskultur, zu fördern, ist ein wichtiger Schritt und kostet eigentlich kein Geld. Auf dem Non-Profit-Markt gibt es zudem bereits viel gute und günstige Lösungen, nur ist das in der Breite noch nicht so bekannt. Und dann können Organisationen auch nach potentiellen Sponsoren Ausschau halten. Viele Unternehmen wollen sich gern gemeinnützig einbringen, wissen aber oft nicht wie.

Was hat deine Forschung noch ergeben? Was sollten Non-Profits bei ihrer Digitalstrategie berücksichtigen?

Magdalena Bork: Meine zweiter Punkt ist: Es braucht einen Verantwortlichen, einen Treiber der Begeisterung mitbringt, Spaß am Thema hat und die Digitalisierung stetig vorantreibt. Die dritte Erkenntnis ist: Prioritäten setzen. Es ist wichtig, mit ein, zwei Pilotprojekten zu
starten, sonst überfordert man sich. Auch die teilnehmenden Organisationen im Programm haben sich zu Anfang ein bis zwei Ziele gesetzt und dafür Strategien entwickelt. Sie haben bei der Umsetzung Erfahrungen gesammelt und gemerkt: Es ist machbar.

Digitalisierung ist ein Lernprozess. Klein anzufangen und Erfahrung zu ermöglichen, ist sehr wichtig. Auch Austausch hilft. Es gibt bereits viel Wissen und andere Organisationen oder Vereine mit ähnlichen Problemen. Und viertens: Das Thema Widerstände beschäftigt viele. Mein Eindruck ist, dass kleinere Organisationen hier im Vorteil sind und Widerstand leichter lösen.

Wie gehen Verantwortliche für Digitalisierung mit Widerstand am besten um?

Magdalena Bork: Zu allererst muss man sich klar machen, dass Widerstände etwas ganz Natürliches sind. Kommunikation ist wichtig und mehr als informieren. Man sollte frühzeitig planen, wer wann eingebunden wird und Möglichkeiten der Partizipation schaffen, Meinungen einholen und klar machen, was der Nutzen ist. Mit Gegner:innen sollte man das Gespräch suchen: Was sind die Bedenken? Was wären Alternativen? Es hilft, Ängste anzuerkennen und ernst zu nehmen. Oft nimmt dann die Offenheit zu.

Ein Raum mit viel Workshopzubehör ist im Hintergrund verschwommen zu erkennen. Im Vordergrund scharf schaut man einer Person über die Schulter, die das Handout des Workshops in der Hand hält, auf dem bunte Kreise mit den Elementen der Digitalisierung zu erkennen sind. Digitalstrategien
Ein Workshop im Programm „Die Verantwortlichen #Digital“.
Foto: Akademie für Ehrenamtlichkeit

Wie schätzt du den Nutzen ein, den ein Programm wie „Die Verantwortlichen #Digital“ hat?

Magdalena Bork: Die Teilnehmenden haben für uns ein monatliches Projekt-Tagebuch geführt. Im letzten Tagebuch haben wir sie gefragt, wie befähigt sie sich vor dem Programm gefühlt haben, digitale Projekte voranzutreiben. Und dann, wie befähigt sie sich jetzt zum Ende des Programms fühlen. Vorher lag der Durchschnitt auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 10 (total) bei 4,4. Nachher bei 7.

Ein Programm wie „Die Verantwortlichen #Digital“ macht mit seinen kleinteiligen Bestandteilen wie den Peer-to-Peer-Treffen, dem Beratungsangebot, dem Umsetzungs- und Weiterbildungsbudget viel möglich, wofür sonst das Geld häufig in Non-Profits fehlt. Die Organisationen profitieren sehr von dem Wissenstransfer, den Vernetzungsmöglichkeiten untereinander, aber vor allem auch mit den Experten. Ich würde sagen, das Coaching ist ein Herzstück. Für alle 14 Organisation war die individuelle Beratung und der Blick aus einer anderen Perspektive sehr wertvoll.

Interessant wird, wie es danach weiter geht. Die teilnehmenden Organisationen haben bisher die Chance ergriffen und digitale Pilotprojekte umgesetzt (In diesem Beitrag haben wir zwei zu Wort kommen lassen). Aber die Arbeit an der Digitalstrategie ist nach Programm nicht vorbei. Sie sollte weiter vorangetrieben werden, damit die Organisationen nicht in ein paar Jahren wieder abgehängt sind. Im nächsten Herbst planen wir daher eine Folgebefragung.

Profitieren auch Non-Profits, die nicht die Möglichkeit hatten teilzunehmen?

Magdalena Bork: Im Idealfall begreifen sich die teilnehmenden Organisationen als Multiplikatoren und teilen ihre Erfahrungen mit anderen Non-Profits. Auch durch den Leitfaden schafft das Programm einen Wissenstransfer ins Feld. Ziel der wissenschaftlichen Begleitung und auch mein Ziel für die Publikation war es, über die Organisationen hinweg gemeinsame Nenner zu finden und Wissen zu generieren, das anderen Non-Profits hilft, ihren Prozess zu gestalten. Ich möchte mit dem Leitfaden Mut machen, mit Leichtigkeit statt Druck etwas auszuprobieren. Sich auch zu erlauben, zu scheitern und es neu zu machen. Der Leitfaden soll zum Nachdenken anregen und zeigen: Ihr könnt mehr machen, als ihr denkt.

Der digitale Wandel fordert noch immer viele gemeinnützige Organisationen heraus. Spätestens seit Ausbruch der Corona-Pandemie ist jedoch klar, dass Digitalisierung auch für die Zivilgesellschaft ein dringliches Thema ist, um weiter handlungsfähig zu bleiben.

Der im März 2021 von der Akademie für Ehrenamtlichkeit Deutschland in Zusammenarbeit mit ZiviZ im Stifterverband veröffentlichte Leitfaden soll hier unterstützen.

Der Leitfaden steht hier zum Download bereit.

Hinweis: Die Verantwortlichen #Digital wird gefördert durch das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat und die Robert-Bosch-Stiftung, Projektträger ist die Akademie für Ehrenamtlichkeit

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Weiterlesen: Unsere Serie zu Digitalstrategien

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