Als allererstes machte Dagmar Hirche einen Testlauf. Sie lud sechs Männer ein. Alle waren über 80 Jahre alt. Hirche setzte sie in einen Kreis, stellte sich vor sie und sagte: „Ich will Ihnen und vielen anderen Senior:innen erklären, wie Smartphones und Tablets funktionieren. Was muss ich tun, damit Sie Interesse an solch einem Workshop haben?“ Einer der Herren antwortete: „Keine englischen Begriffe. In so einen Workshop gehen wir nicht. Nennen Sie es doch Gesprächskreis.“ Die anderen nickten.
Soziales Mitmachen ermöglichen
Sechs Jahre ist das jetzt her. Seitdem haben Dagmar und die anderen Helfer:innen des Vereins Wege aus der Einsamkeit über 7000 Senior:innen beigebracht, wie sie ihr Smartphones einschalten, wie sie eine Geheimzahl eingeben oder die Helligkeit einstellen, wie sie die Buchstaben größer machen können oder wie Whatsapp funktioniert. Also all jene Funktionen und Einstellungen, die diese im Alltag gut gebrauchen können, um mit der Welt zu kommunizieren. „Mir geht es darum, den älteren Menschen Teilhabe zu ermöglichen, ihnen dazu die Angst vor den technischen Geräten zu nehmen und damit letztendlich Wege aus der Einsamkeit aufzuzeigen“, sagt Dagmar.
Doch warum braucht es dazu einen extra Gesprächskreis? Immer wieder hat Dagmar von den Senior:innen berichtet bekommen, dass diese sich in den eigenen Familien nicht trauen würden nachzufragen, wie das mit dem Smartphone genau funktioniert. Einerseits würden sie sich „schrecklich alt“ dabei fühlen und zum anderen würden die Verwandten häufig „zu schnell erklären“. Andere hätten gar niemanden mehr, der ihnen das beibringen könnte. Wenn Dagmar erklärt, ist das anders: „Bei mir soll das Spaß machen, ich nehme mir alle Zeit der Welt und ich habe eine Menge Empathie dabei.“ Außerdem veranschaulicht sie die Funktionsweisen der verschiedenen Apps und Geräte mit praktischen Begriffen und Analogien aus dem Alltag. So ist das Betriebssystem der Motor, ein Android-Smartphone fährt mit Diesel, das IOS vom iPhone ist ein Benziner.
Dagmar ist Unternehmensberaterin mit den Schwerpunkten Kommunikation und Direktmarketing. Ihre Firma hat sie für ihre Vereinsarbeit komplett freigestellt, bei vollem Gehalt. Die 63-Jährige redet schnell und lacht viel. Wenn man sie anruft, erwischt man sie meistens unterwegs. 2007 gründete sie den Verein „Wege aus der Einsamkeit“. Ihr Ziel: Rentner:innen eine Stimme zu geben sowie deren Selbstständigkeit und Inklusion zu fördern. Eine ihrer Hauptforderungen ist es, dass kostenloses WLAN in Altersheimen eingerichtet wird: „Die Welt wird digital, also muss der Zugang zu ihr für alle möglich sein. W-Lan gehört inzwischen so sehr zur Grundausstattung wie Strom oder Wasser.“
Alle Präsenztermine abgesagt, wegen Corona
Vor Corona fuhr sie von Stadt zu Stadt, sprach und erklärte von Angesicht zu Angesicht. Gleichzeitig drehte sie kurze Erklärvideos und stellte diese auf Youtube. „Was ist ein Link?“ „Wie mache ich ein Foto?“ „Welche Apps sollte ich kennen?“ Doch dann war der März 2020 da, die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie traten in Kraft, unter anderem die Kontaktbeschränkungen. Von einem Tag auf den anderen musste Dagmar alle ihre Präsenztermine absagen. Was konnte sie also tun, wenn sie die Arbeit nicht komplett einstellen wollte?
Dagmar Hirche schaute sich Zoom an, die Plattform für Videokonferenzen. „Warum nicht?“, dachte sie sich. Wenn die komplette Arbeitswelt auf Zoom umgestiegen ist, werden ihre Senior:innen das doch auch können. Sie legte einen Termin für das erste deutschlandweite Senior:innen-Zoom-Treffen fest und versendete den Link dazu per Newsletter. Gleichzeitig produzierte sie Erklärvideos, wie man Zoom nutzt und wie man es auf das Smartphone oder ein iPad herunterlädt.
Jeden Tag Programm auf Zoom
Am 25. März 2020 um 10 Uhr sollte es losgehen. Um 9 Uhr verband sich Dagmar mit dem offenen Zoom-Raum. Da waren die ersten paar Senior:innen auch schon da und redeten. Minuten für Minuten tauchten mehr Gesichter auf. Gleichzeitig klingelte Dagmars Telefon: Das Bild geht nicht, der Ton geht nicht, die App will sich nicht installieren, man kommt nicht rein, da hüpft was. „Den technischen Support habe ich total unterschätzt“, sagt sie heute. 40 Senioren:innen nahmen an diesem ersten Treffen teil.
Dagmar entschied sich, den virtuellen Zoom-Raum als deutschlandweiten Senior:innen-Treffpunkt aufzulassen, als eine Art digitales Cafe, rund um die Uhr, zum Reden und Austauschen. Gleichzeitig organisierte sie ein tägliches Zoom-Programm, jeden Tag ab 10 Uhr. Montag gab es Sitz-Yoga oder Stuhl-Tanz, Dienstag eine Lesung, Mittwoch und Sonntag waren digitale Schulungen dran, Donnerstag waren Gastredner da: der Erfinder der Corona-App, jemand von der Polizei, eine Anwältin zu Themen wie Vorsorgefragen oder Testamente. Freitags war Spielevormittag und alle sechs Woche lud ein DJ zur Silver-Zoom-Party. Jeweils zwischen 50 und 70 Leute waren zu den festen Programmpunkten online. Nach und nach lernten die Senior:innen, mit Zoom umzugehen und konnten wiederum anderen Neulingen alles Wichtige dazu zu erklären. So achteten sie zum Beispiel darauf, dass alle nur Nicknames verwenden und nicht ihre richtigen Namen.
Einfach machen, aus den Fehlern lernt man
Für die digitalen Schulungen auf Zoom konnte Dagmar fünf Studierende gewinnen, die den technischen Support übernahmen. Dagmar erklärte der Gruppe diese oder jene App. Wenn eine:r der Senior:innen Schwierigkeiten oder spezielle Nachfragen hatte, wechselten diese in die sogenannten Break-Out-Räume, um dort mit je eine:r Studierenden das Problem einzeln zu klären. Ihren Newsletter versendete Dagmar in dieser Zeit jede Woche. Darin sammelte sie viele Links mit anderen digitalen Angeboten: Tanzen, Konzerte, Kino, Lernen. Andere Vereine für Senior:innen meldeten sich wiederum bei ihr und baten um Rat, wie auch auch sie ihre Angebote, Treffe oder Stammtische ins Internet verlagern könnten.
„Für uns alle war das eine steile Lernkurve“, sagt Dagmar. „Ich brauchte ein vernünftiges Mikrofon, eine bessere Kamera, damit man mich überhaupt gut hören und sehen kann. Der extra technische Support war total wichtig, damit mein Telefon nicht rund um die Uhr klingelte.“ Vor allem aber, dass hatte Dagmar gelernt, solle man keine Angst davor haben, dieses oder jenes falsch zu machen. Im Gegenteil: „Die Senior:innen haben sich gefreut, dass sie nicht immer die einzigen sind, bei denen was schiefläuft.“
160 Zoom-Treffen
Für die Senior:innen war der digitale Zoom-Treff ein Leuchtstreifen in der Pandemie. „Wenn sie das nicht gehabt hätten, wären sie durch Corona einsam geworden, das haben mir viele von ihnen berichtet“, sagt sie. Auf insgesamt 160 Zoom-Meetings kam Dagmar während der ersten Kontaktbeschränkung. Nachdem die Corona-Maßnahmen erst einmal wieder aufgehoben worden waren, ging sie zu einer Hybrid-Lösung über. Keine täglichen Treffen mehr, sondern zweimal die Woche die gewohnten Schulungen. Der Raum blieb aber offen, den die Senior:innen weiter nutzen. Veranstaltungen organisierte Dagmar wieder wie gewohnt von Angesicht zu Angesicht, schaltete aber immer auch die Zoom-Senior:innen aus dem ganzen Bundesgebiet dazu.
Nun, mit den aktuellen Beschränkungen füllt sich das Tagesprogramm des Zoom-Raumes wieder. Doch diesmal übernehmen die Senior:innen den Montag und Dienstag selber. Auch für Weihnachten und Silvester haben sie sich schon verabredet. Natürlich auf Zoom. Da wollen sie zusammen anstoßen.
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Ich finde dieses Angebot sehr gut, ich habe selbst auch noch viele Fragen, obwohl ich aus med. u. Verwaltungsberufen kam, neue Programme, Techniken die normalen Arbeitsalltag nicht angewendet wurden u.s.w. Ich bin offen dafuer. Sind die Angebote kostenfrei oder Beitragdpflichtig. Ich bin erreichbar unter christiane.barth@gmail.com
Hallo!
Weitere Informationen zu diesem Programm, über das wir als Seite nur berichten, gibt es auf der Vereinswebsite von Wege aus der Einsamkeit e.V.. Dort gibt es auch eine Mailadresse für Fragen und Anmeldungen: https://www.wegeausdereinsamkeit.de/internet-verstehen/
Weitere Einblicke in digitale Tools gibt es in unserer kostenlosen Sprechstunde „Plötzlich digital“, die zweiwöchentlich am Freitag stattfindet. In den Webinaren kann man zuschauen, wie erfahrene Anwender:innen ein Tool bedienen und Funktionsweisen aufzeigen: https://so-geht-digital.de/ploetzlich-digital-die-sprechstunde/